Ein Verwüster

Abgestumpft und ausgebrannt
Dem Seelenklempner auch bekannt
Als Junge der einst vor ihm stand
-Apathisch-

Klug geboren, immer fleißig
Ackern, schuften, bis Mitte Dreißig
Das Konto reich, die Seele geizig
-Fanatisch-

Weißes Pulver, grüner Schein
Rollen, streuen, ziehen, rein
Am Schmerz vorbei, ins Herz hinein
-Dramatisch-

Kontrollverlust und vollgepumpt
Zu viele mal, zu ungesund
Nun aufgewacht im Untergrund
-Düster-

Die Schlinge um den Hals gezogen
Alle Hoffnung nun verflogen
Für Ruhm und Protz das Ich belogen
-Jetzt büßt er-

Sein Gewissen wird zum Richter
Das Urteil zieht die Schlinge dichter
Doch kurz vor Urteilsspruch beschließt er:
-Trotzen werd ich dem Verwüster-

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Auf Chance reimt sich immer noch Irrtum

Verborgen hinter Umzugskartons versuchten zwei 30 Watt Ikea Stehlampen ihr Bestes um dem Raum durch indirektes Licht etwas Atmosphäre zu verpassen. Ein unmögliches Unterfangen – wie ich bereits beim Betreten des Raumes feststellen musste. Nicht das es an den Stehlampen gelegen hätte. Ihr Licht wurde durch die braunen Kartons angenehm gedämpft. Das Problem war das Strobolicht aus dem Nachbarzimmer und der Bass der die Bilder an der Wand rhythmisch bewegte.

Irgendwer war neu in die WG gezogen und feierte seinen Einzug. Mit Oettinger in der Hand hockte ich im Schneidersitz auf dem Boden zwischen Thomas und Sabrina. Thomas war wie immer relativ schnell angeheitert und unterhielt die kleine Gruppe allein. Gedanken verloren trank ich hin und wieder einen Schluck Bier und fragte mich nicht zum ersten Mal an diesem Abend wieso ich der Einladung überhaupt zugesagt hatte und was ich hier sollte. Obwohl wir nicht mehr den geringsten Kontakt hatten, hatte ich zwei Sekunden nach dem Facebook „bing“ die Einladung angenommen und musste jetzt über die schon fünfmal gehörten Eskapaden von Thomas lachen.

Nachdem gefühlt 300. halbherzigen Lachen und der sechsten Frau die Thomas mit einer ach so lustigen Story rumbekommen hatte wurde es Zeit für eine Zigarette. Während ich probierte ohne umzufallen aus dem Schneidersitz aufzustehen, wurde es auf einmal ruhiger und alle schauten mich erwartungsvoll an. Ohne hinzusehen wusste ich du hattest den Raum betreten. Wieso konnten die nicht einfach weiter reden. Es gab nichts was wir uns hätten sagen können was so wichtig gewesen wäre, dass Thomas seine Geschichte über Anja hätte unterbrechen müssen. Mit einem „ich geh erstmal rauchen“ ging ich an dir vorbei durch den Türrahmen und ließ dich in meinem Lieblingskleid stehen.

Ohne zurück zu sehen navigierte ich über den zur Tanzfläche umfunktionierten Flur zielstrebig zum Balkon. Vorbei an, zu Musik die ich nicht mochte, tanzenden Menschen die ich nicht kannte, über Bierlachen und knutschende Pärchen. Auf dem Balkon atmete ich erstmal tief durch zog den Tabakbeutel aus der Tasche und begann zu drehen. Wieso hattest du genau das Kleid an. Auf der ersten gemeinsamen Party seit einer gefühlten Ewigkeit. Du wusstest das es mein Lieblingskleid war und hattest es während unserer Zeit nur zweimal angehabt. Wieso? Was erwartetest du von diesem Abend?

Wir hatten einfach nichts mehr zu besprechen. Ich hatte dir alles gesagt. Alles gegeben. Immer wieder. Ein kleiner Kompromiss hier. Ein Zugeständnis da. Aber das war nicht genug. Nicht für dich. Also bist du gegangen bevor es ernst wurde. Jetzt hast du mich also eingeladen und hast dieses verdammte Kleid an. Du hast vier Millionen Kleider. Wieso genau das? Ich dachte mich in Rage. Wollte dich wieder vergessen. Aber jetzt warst du wieder da. Omnipräsent und lächelnd. Im Türrahmen. In diesem Kleid.

Nach einer gefühlten weiteren Ewigkeit und fünf Zigaretten sowie drei Bier später hatte ich mich endlich wieder beruhigt und verließ den Balkon. Ein frisches Bier in der Hand, fasste ich den Entschluss dir doch nochmal eine Chance zu geben. Zumindest mal mit dir reden. Hören wie es dir geht. Was du zu sagen hast. Die Tanzfläche betretend suchten meine Augen nach dir. Nach dem einen Kleid. Gefunden. In den Armen von Thomas. Gehässig grinsend setzte ich die Flasche an. Trank sie in einem Schluck aus, ließ sie fallen, nahm meine Jacke und ging.

Im Kopf hallte mir Jupiter Jones noch lange nach: Am schönsten ist die Chance die man verpasst.

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Hoffnung, Mut und Zeit

Du wächst heran, es geht dir gut
Vollbepackt mit Hab und Mut
Erkundest du was vor dir liegt
Und fühlst dich wohl in Fleisch und Blut

Sorgenfrei, die Sicht so klar
Kein Tunnelblick, kein grauer Star
Die Euphorie packt dich wie nie
Macht jeden Traum zum greifen nah

Dunkle Stunden, ruppig, rau
Kohleschwarz bis aschegrau
Tief gefallen, hart gelandet
Nichts getrunken, Seele blau

Abgestürzt und notgelandet
Kopf voraus im Dreck gestrandet
Alles schmerzt und brennt wie Feuer
Hoffnungslos vom Hass umrandet

Doch was dir immer bleibt ist Hoffnung, Mut und Zeit

Kein Happy End das dich befreit
Ausgebremst obwohl bereit
Auszuhalten ist das nur schwer
Du weißt dass dir nichts übrig bleibt

Sorgenfrei war es bisher
Doch plötzlich fällt dir alles schwer
Dahin ist deine Leichtigkeit
Was mach ich nur? Ich zweifle sehr

Doch was dir immer bleibt ist Hoffnung, Mut und Zeit

Das Tief wird umso länger währen
je mehr dich Hass und Wut ernähren
weil Missgunst dich getroffen hat
warum wird sich wohl niemals klären

Drum bring dir bei es auszuhalten
Und tief in dir das auszuschalten
Was Zweifel daran wachsen lässt
Den Sturzflug doch noch aufzuhalten

Denn was dir immer bleibt ist Hoffnung, Mut und Zeit

Und irgendwann, nach langer Zeit
Wirst du spüren: es ist soweit
Mut und Hoffnung tragen Früchte
Vertrauen macht sich wieder breit

Gebrandmarkt nun, auf Ewigkeit
Doch das ist gut, denn sei bereit
Für Sturzflug Nummer zwei und drei
Gebucht sind sie mit Sicherheit

Hoch und runter, schwarz und weiß
Mal Eis und kalt, mal Glut und heiß
Mit Freund und Feind durch Freud und Leid
Das Leben hat stets seinen Preis

Show me what it`s like to dream in black and white

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Kamikaze

Die verwinkelten Gedankenschlösser, in die er sich zurückgezogen hatte, um ihr nie wieder begegnen zu müssen, waren ihm zu kalt und einsam geworden. Die Erinnerungen an den Moment, als sie die Tür hinter sich zu warf, hatte er in ihnen hinter sich gelassen. Nun hatte er sich von all dem abgewandt und versuchte, seinem Leben in der Tristesse einer Grenzstadt im tiefsten Brandenburg wieder irgendeine Bedeutung zu verleihen.

Jetzt, in der Sekunde, als er ihr die Tür aufmachte, wusste er, dass er sich selbst belogen hatte. Die Realität, in die er scheinbar zurückgekehrt war, verschwamm in dem Moment als er sie dort stehen sah. Sie stand dort mit verweinten Augen in seinem Lieblingskleid vor ihm und hauchte ein zaghaftes “Hi” in seine Richtung.

Seine Gedanken überschlugen sich. Malten die Bilder mit frischer Farbe nach, die er gerade erst vergessen hatte. Zogen neue Konturen und Umrisse. Verfeinerten und erweiterten die verschollen geglaubte Fantasie. Renovierten, bauten an und erschufen gänzlich Neues. Durchbrachen die Grenze von Fiktion und Realität und ließen sie dort in seinem Türrahmen in einem helleren Licht erstrahlen.

Unfähig, auch nur einen Ton herauszubringen, stand er dort, in T-Shirt und Boxer-Shorts und blinzelte. Versuchte die Situation zu verstehen. Zu analysieren. Zu rationalisieren. Aber alles, wozu er in der Lage schien, war zuzuhören, als sie begann zu sprechen. Er nahm die Worte gar nicht richtig war, sondern versank in den Oktaven ihrer Stimme.

Er wiegte sich in den kleinsten stimmlichen Änderungen wie ein Segelboot in einem sanften Seegang. Verließ Raum und Zeit und genoss die Irrationalität des Moments. Für einen kurzen Moment war die Realität Fantasie und die Fantasie Realität. Ihre leise Stimme stemmte sich gegen die Tristesse außerhalb seiner Wohnung und nahm ihn mit der Aussage “I know I never loved you, but I might just try again tonight.” endgültig wieder gefangen.

Er wusste, es würde wieder zwei Wochen gut gehen und sich wie ein Höhenflug anfühlen. Ein Moment Perfektion, bevor er, wie damals, nach steilem Sturzflug am Boden zerschellen würde. Sie mussten scheitern. Wie die Male zuvor. Er atmete tief ein, akzeptierte das Schicksal und bat sie herein.

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Kartoffelsalat aus dem Kippenautomat

Kartoffelsalat aus dem Kippenautomat ist schmackhaft und apart
Es steht der rauchig-herbe neben rußig-cremig-zart
Auf dem BigPack droht die Warnung: „Enthält Gewürze, Schmalz und Quark“
Und trotzdem wird’s gekauft weil man dabei nochwas spart

Kartoffelsalat aus dem Kippenautomat darf man schon mit sechzehn kaufen
Die meisten bekommen Bock drauf wen sie vorher richtig saufen
Alle Warnungen und Bedenken werfen sie dann übern Haufen
Viel zu spät folgt die Erkenntnis: mit ner Wampe muss man schnaufen

Kartoffelsalat aus dem Kippenautomat ist nicht immer praktikabel
Kaum zieht man sich ne Packung suchst du schon nach deiner Gabel
Stellst dann fest: verliehen hast du sie an Kumpel Pavel
Kettenfresser ist der Gute, seine Plautze ganz passabel

Kartoffelsalat aus dem Kippenautomat war bei vielen lang verpönt
Die meisten haben sich jedoch bis heute dran gewöhnt
Und wenn ein Aktivist mal vor dir fuchtelt, flucht und stöhnt
Sag ihm: „Fürs Futtern zahl ich steuern, rate wovon der Staat dich löhnt!“

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…und dann warst da du

Ich hatte mich gerade damit abgefunden. Also so, dass ich wieder lachen konnte. Dass mich nicht alles an sie erinnerte. Dass ich nicht dachte: Junge, du hast den dümmsten Fehler deines Lebens gemacht. Ich hatte wieder ein Lächeln auf den Lippen. Die Sonnenbrille im Gesicht und fühlte mich gut. Befreit. Geduscht. Die Altlasten abgeworfen. Ich wollte mich selbst genießen. Mich selbst feiern. Mich in mich selbst verlieben. Mich wieder wertschätzen. Ich wollte einfach frei sein. Und dann warst da du. Ohne TamTam. Ohne Fanfaren. Einfach da.

Einfach so. Ohne, dass du das wolltest. Ohne, dass ich das wollte. Es war Zufall. Schicksal. Fügung. Oder einfach nur das Leben. Aber auf einmal waren da wir. Du wolltest das. Ich wollte das. Wir haben uns gegenseitig gefeiert. Uns gegenseitig genossen. Uns gegenseitig wertgeschätzt. Wir haben uns gegenseitig frei gemacht. Anstatt mich in mich zu verlieben, habe ich mich in dich verliebt. Habe dich geduscht. Probiert zu befreien. Von den Gedanken. Den Altlasten. Der Vergangenheit. Da war auf einmal Zukunft. Für mich. Aber nicht für dich. Und dann warst da du – nicht mehr.

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