Am Ende war es still…

Wie jeden Morgen sitzt er einsam und verlassen an seinem Schreibtisch, genießt das fröhliche und wohltuende Zwitschern der Vögel, trinkt seinen milchigen Kaffee, bevor er sich Blatt und Stift nimmt und zu schreiben beginnt. Anfangs schrieb und schrieb er ohne auch nur einmal daran zu denken den Stift kurzzeitig beiseite zu legen. Es waren pulsierende Ströme, die blitzschnell von seinem Herzen durch Venen und Hand in seine schriftlichen Bewegungen flossen. Er konnte Seite für Seite vollschreiben, denn seinem Reichtum an Gefühlen war keinen Grenzen gesetzt.

Wenn sie wie jeden Morgen in ihrer Küche sitzt und sich einen beruhigenden Tee kocht, dann denkt sie über ihr Leben und vergangene Momente nach. Dabei fällt es ihr schwer sich an die positiven und glücklichen, längst verdrängten Gefühle zu erinnern. Eine kalte und sich sträubende Leere wandert durch ihren Körper und durch ihr Herz, welches sie vor langer Zeit verschlossen hatte und seitdem niemand mehr darin einen Platz gefunden hat. Es waren die Briefe, …

… die er schreib, welche ihm jeden Tag aufs neue Hoffnung gaben. Seit dem damaligen Tag vor vielen Monaten gab es keinen Tag, an dem der Postkasten seiner Herzdame leer war. Anfangs war er kreativ und leidenschaftlich, zog alle Kräfte aus seinem Herzen, schrieb die schönsten und romantischsten Texte und Gedichte und gab nie die Hoffnung auf, dass sie sich eines Tages wieder bei ihm melden würde. Doch all die ignorierten Briefe machten ihn schwach im Herzen. Mittlerweile fällt es ihm schwer ganze drei Sätze niederzuschreiben. Es waren die Briefe, …

… die Tag für Tag unversehrt und unbeantwortet in ihren Kamin flogen und zu Asche zerfielen. Anfangs las sie jeden einzelnen. Dabei prallten seine Liebesbotschaften wie harte Steine an ihrer Haut ab. Nichts davon wollte sie wissen. Kälte beherscht sie. Kälte und die Verdängung von Gefühlen und Emotionen. Der Wandspiegel kann mittlerweile ihr aufgesetztes Lächeln nicht mehr sehen. Jedem ihrer Freunde erzählte sie wie glücklich sie doch sei und wie schön das Leben ist. Doch am heutigen Tag, …

… ist er kraftlos. Sein gebrochenes Herz hängt wie ein schwerer Fels in seiner Brust. Der Stift kratzt über das Pergament und nach ungefähr einer Viertelstunde legt er ihn zur Seite. Wie jeden Tag greift er in seine Schublade, zieht einen leeren Umschlag hinaus und adressiert diesen mit der Anschrift seiner Liebsten. Doch dieses Mal landet die Botschaft nicht im Postkasten. Er klebt den Umschlag zu und steckt ihn sich in seine Brusttasche. Als dann wie jeden Morgen …

… der Postmann klingelt und ihr die heutige Post überreicht sucht sie verbittert zwischen all den Prospekten und Rechnungen seinen täglichen Brief. Er war nicht da. Die Fesseln ihres Herzens zersprangen mit einem lauten Knall, glühend heiße Hitze strömte durch ihren Körper und pumpte durch ihre geweiteten Adern. Ein weiterer Knall und die Teetasse zerspringt am Boden vor ihren Füßen. Die Fesseln waren gesprengt. Sie spürte zum ersten Mal wieder Gefühle, Tränen schossen in ihre Augen und die Lippen wurden staubtrocken. Sie spürte, dass etwas nicht in Ordnung sei und machte sich zum ersten Mal Sorgen.

Doch zu dem Zeitpunkt war es bereits zu spät.

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