Das Schließen der Tür

Durch den Spalt der sich gerade schließenden Tür konnte er noch das Tropfen ihrer Tränen auf dem kalten Steinboden im Flur hören. Sie war vor ihm Zusammengebrochen. Obwohl er es wollte, hatte er sie nicht festhalten können. Selbst als sie unter Tränen zu ihm aufgeblickt hatte und ihn gebeten, nein angefleht hatte nicht zu gehen, selbst da hatte er sich nicht überwinden können zu bleiben. Das kurz aufgeflackerte Mitleid war von dem unbändigen Hass ihr gegenüber sofort wieder verdrängt worden. Er wusste das er ihr nie würde vergeben können.

Vor mehr als sechs Jahren hatten sie sich kennen gelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie war sein Leben gewesen. Er hätte alles für sie getan. Die Überstunden in der Firma hatte er nur für sie auf sich genommen. Sie hatte ihn nie dazu gezwungen, er hatte es freiwillig gemacht. Für sie. Für sich. Für beide. Für ihre Zukunft. Für ihre Beziehung. Er wusste das er seine Traumfrau gefunden hatte, sie scheinbar nicht. Entweder hatte sie es nie verstanden was sie ihm bedeutet hatte oder es war ihr egal gewesen. Sie hatte die Beziehung zerstört. Ihn zerstört, sein Vertrauen, seine Welt und alles was ihm Halt gegeben hatte.

Wie so oft hatte sie nur an sich gedacht. Nicht an ihn. Nicht an die Beziehung. Überhaupt hatte sie wieder nur ihr Ego im Kopf gehabt. Immer wieder diese Egotrips von ihr. Das hatte ihn immer aufgeregt, aber seine Liebe für sie war zu groß gewesen als das er es ihr hätte sagen können. Es war ihm auch egal gewesen. Aber dieses mal war sie zuweit gegangen, sie hatte seinen Stolz mit Füßen getreten. Er hörte sie schreien durch die schluchzenden Atemversuche. Sie machte ihn Wahnsinnig. Obwohl er sie hasste, wollte er sie trösten. Seine Liebe und sein Hass rissen ihn innerlich auseinander. Er musste hier weg bevor er sich selbst betrog.

Von einer Sekunde auf die andere hörte das Schluchzen, das Schreien, die Verzweiflung über den Fehler den sie begangen hatte auf. Die Tür war zugeschalgen. Mit der Tür schloß sich auch die Truhe mit den Errinerungen an sie. Langsam, aber sie begann sich zu schließen. Während er sich die Kopfhörer in die Ohren steckte und die Musik auf seinem Handy anmachte, dachte er über die Zukunft nach. Er wusste das er lange brauchen würde, Monate wenn nicht Jahre, bevor er wieder jemandem so Vertrauen könnte. Sie hatte viel von ihm zerstört. Sie hatte ihn gezeichnet. Für immer. Aber der Schritt in die Sonne dieses lauwarmen Sommertages ließ ihn positiv in die Zukunft blicken.

Die vom Schmerz verzehrten hysterischen Schreie bekam er nicht mehr mit. Er hatte ihre Gegend schon lange verlassen. Sie daraufhin die Welt. 

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You never shall reply

Zum widerholten Male fällt die mit Tinte vollgesogene Feder auf ein leeres Blatt Papier. Er hatte es wieder nicht geschafft. Wieder waren alle Gedanken Erdrutschartig verschwunden. Aufgesogen von einer ihm unbekannten Macht in seinem Gehirn. Seit einigen Jahren probierte er nun schon diese Worte, diese paar Zeilen, diesen einen Brief, sein Vermächtnis, niederzuschreiben. Frustriert blickte er aus dem Fenster seines Arbeitszimmers. Die fünf Meter entfernte Hauswand des gegenüberliegenden Hauses hatte auch keine Antworten für ihn parat.

Seit er in eine Erdgeschosswohnung umzogen war, hatten sich seine vorher nur leichten Depressionen schubartig verschlechtert. Sein größtes Problem war seine Schreibblockade. Alle seine Ideen die er sich auf den ewig langen Wegen in der U-Bahn, der S-Bahn oder sonstigen öffentlichen Verkehrsmitteln überlegt hatte, waren an seinem Schreibtisch wie fortgeblasen. Selbst seine Notizen halfen ihm dann nicht mehr weiter. Er konnte dann nur noch über den Unfall nachdenken. All diese was wäre wenn Gedanken die immer wieder andere Szenarios in seinem Kopf abspielten. Auch oder gerade deswegen wollte er diesen Brief schreiben.

Bereits kurz nach dem Unfall hatte er den Entschluss gefasst solch einen Brief zu schreiben. Einen Brief der die Zeit übersteht. Einen Brief der zeitlos ist. Einen Brief der nicht beleidigt, nicht lobt, nicht voreingenommen ist. Einfach einen Tatsachenbericht, der ihm hilft die Situation zu verarbeiten. Der ihm Glauben gibt, Kraft verleiht und die Möglichkeit der Vorstellung einer positiven Zukunft erleichtert. Er sollte ein Leben ohne Depressionen in greifbare Nähe rücken. Aber Momentan gelang im das noch noch nicht. Selbst nach Jahren der Gewöhnung war es immer noch schwer für ihn, nicht wie gewohnt an seinem Arbeitsplatz, sondern in einem Rollstuhl zu sitzen. Aber er gab die Hoffnung nicht auf. Morgen würde er es wieder probieren.

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