Kamikaze

Die verwinkelten Gedankenschlösser, in die er sich zurückgezogen hatte, um ihr nie wieder begegnen zu müssen, waren ihm zu kalt und einsam geworden. Die Erinnerungen an den Moment, als sie die Tür hinter sich zu warf, hatte er in ihnen hinter sich gelassen. Nun hatte er sich von all dem abgewandt und versuchte, seinem Leben in der Tristesse einer Grenzstadt im tiefsten Brandenburg wieder irgendeine Bedeutung zu verleihen.

Jetzt, in der Sekunde, als er ihr die Tür aufmachte, wusste er, dass er sich selbst belogen hatte. Die Realität, in die er scheinbar zurückgekehrt war, verschwamm in dem Moment als er sie dort stehen sah. Sie stand dort mit verweinten Augen in seinem Lieblingskleid vor ihm und hauchte ein zaghaftes “Hi” in seine Richtung.

Seine Gedanken überschlugen sich. Malten die Bilder mit frischer Farbe nach, die er gerade erst vergessen hatte. Zogen neue Konturen und Umrisse. Verfeinerten und erweiterten die verschollen geglaubte Fantasie. Renovierten, bauten an und erschufen gänzlich Neues. Durchbrachen die Grenze von Fiktion und Realität und ließen sie dort in seinem Türrahmen in einem helleren Licht erstrahlen.

Unfähig, auch nur einen Ton herauszubringen, stand er dort, in T-Shirt und Boxer-Shorts und blinzelte. Versuchte die Situation zu verstehen. Zu analysieren. Zu rationalisieren. Aber alles, wozu er in der Lage schien, war zuzuhören, als sie begann zu sprechen. Er nahm die Worte gar nicht richtig war, sondern versank in den Oktaven ihrer Stimme.

Er wiegte sich in den kleinsten stimmlichen Änderungen wie ein Segelboot in einem sanften Seegang. Verließ Raum und Zeit und genoss die Irrationalität des Moments. Für einen kurzen Moment war die Realität Fantasie und die Fantasie Realität. Ihre leise Stimme stemmte sich gegen die Tristesse außerhalb seiner Wohnung und nahm ihn mit der Aussage “I know I never loved you, but I might just try again tonight.” endgültig wieder gefangen.

Er wusste, es würde wieder zwei Wochen gut gehen und sich wie ein Höhenflug anfühlen. Ein Moment Perfektion, bevor er, wie damals, nach steilem Sturzflug am Boden zerschellen würde. Sie mussten scheitern. Wie die Male zuvor. Er atmete tief ein, akzeptierte das Schicksal und bat sie herein.

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Kartoffelsalat aus dem Kippenautomat

Kartoffelsalat aus dem Kippenautomat ist schmackhaft und apart
Es steht der rauchig-herbe neben rußig-cremig-zart
Auf dem BigPack droht die Warnung: „Enthält Gewürze, Schmalz und Quark“
Und trotzdem wird’s gekauft weil man dabei nochwas spart

Kartoffelsalat aus dem Kippenautomat darf man schon mit sechzehn kaufen
Die meisten bekommen Bock drauf wen sie vorher richtig saufen
Alle Warnungen und Bedenken werfen sie dann übern Haufen
Viel zu spät folgt die Erkenntnis: mit ner Wampe muss man schnaufen

Kartoffelsalat aus dem Kippenautomat ist nicht immer praktikabel
Kaum zieht man sich ne Packung suchst du schon nach deiner Gabel
Stellst dann fest: verliehen hast du sie an Kumpel Pavel
Kettenfresser ist der Gute, seine Plautze ganz passabel

Kartoffelsalat aus dem Kippenautomat war bei vielen lang verpönt
Die meisten haben sich jedoch bis heute dran gewöhnt
Und wenn ein Aktivist mal vor dir fuchtelt, flucht und stöhnt
Sag ihm: „Fürs Futtern zahl ich steuern, rate wovon der Staat dich löhnt!“

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