Jäger des verlorenen Schatzes

Damals hattest du immer so ein Funkeln in den Augen, wenn du etwas ganz besonders gesehen hast. Dein Mund wurde dann spitzer und deine Augen schmaler, ganz so, als würdest du etwas im Schilde führen. Aber immer ein Funkeln zwischen den Pupillen. Poeten ziehen in so einem Fall gerne den Vergleich mit Diamanten. Das ist mir in deinem Falle aber zu kitschig. Du warst nie kitschig. Eher so liebenswert einen Schritt neben der Gesellschaft. Weniger aus Überzeugung, als vielmehr wegen deines verplanten Charakters. Heute sieht man dich nur noch selten und auch das Funkeln in deinen Augen ist wie eine Anekdote aus längst vergangenen Zeiten. Eine Erinnerung. Die einst so stolze Person die ich kannte, ist heute nicht viel mehr als ein auf Grund gelaufenes Schiff, das täglich von den Wellen die gegen sie schlagen, ein Stück weiter vernichtet wird.

Dabei warst du soviel mehr. Du hast meine Welt in einer Zeit zusammen gehalten, in der nicht mal Duct Tape geholfen hätte. Du hast mir gezeigt, das – verzeihe mir den Kitsch – Traumpartner nicht eine Erfindung der Schreiberlinge aus der Stadt mit den großen Buchstaben am Berg sind, sondern wirklich existieren. Du hattest den schönsten Humor den man haben kann – meinen. Du hattest immer eine gute Flasche Wein im Haus. Da man bei einem Glas Wein einfach die besseren Gespräche führt. Du hast mir sogar Auberginen schmackhaft gemacht. Du hast mich, ganz einfach, mir ein Stück näher gebracht. Ohne es zu wollen. Du wolltest viel mehr ein dauerhaftes Funkeln zu jeder Tages und Nachtzeit in deinem Augen – und nicht nur wenn ich da bin. Du wolltest Freiheit, Spaß und Unabhängigkeit. Aber für welchen Preis.

Denn all das was ich damals sah, sehe ich heute nicht mehr. Heute sehe ich eine Person die nie wirklich richtig lacht, sondern vielmehr halbherzig einen Mundwinkel nach oben zieht. Eine Person die einen Schritt langsamer geht als früher, in der Hoffnung die Zeit würde anhalten und damit auch das Leben. Eine Person die soweit in der Mitte der Gesellschaft steht, das sie kaum noch auffällt. Eine Person die ihr eigener Schatten ist. In seltenen Momenten jedoch flackert in deinen Augen kurz ein Funkeln auf und deine alte Lebensfreude, mit der du jeden Raum in Sekunden eingenommen hast, schwabbt an die Oberfläche. Sie ist der Beweis, dass du die Hoffnung doch noch nicht ganz aufgegeben hast. Die Hoffnung, das irgendwann ein Schatzsucher dein Wrack am Strand findet und das Funkeln zurück in deine Augen bringt.

Denn in jedem Wrack steckt ein Schatz, man muss nur danach suchen. Aber niemals ein zweites Mal.

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Was am Ende bleibt

„Hast du sonst noch was bei mir?“ Die Kondome die ich extra noch gekauft und bei dir verstaut hatte, erwähne ich nicht. Glück für den Nächsten. „Nein, ich hatte nur das Ladekabel, aber das hab ich schon mitgenommen! Du?“ „Ne, ich glaube nicht.“ Stimmt, du hattest es dir hier nie wirklich gemütlich gemacht. Dafür jedes Mal deine riesen Tasche mitgeschleppt. Jeden Abend hast du deine Sachen ausgepackt und ins Bad getragen, nur um sie am nächsten morgen wieder zusammenzuraffen und zurück in deine Tasche zu werfen. Die T-Shirts die ich dir zum schlafen geliehen habe, hast du jedes Mal in den Wäschekorb geworfen. Fast so als wolltest du einfach nicht das hier irgendetwas von dir ist – auf Dauer.

„Ich würde jetzt gerne gehen.“ „Ich nicht… weil so lange wie wir hier sind, da.. da ist es noch nicht real!“ „Ich weiß, aber ich würde trotzdem gerne gehen!“ „…“ Diese letzte Verabschiedung bedeutete dann nur eins. Leere. Vier weiße Wände. Und ich. Das erdrückende Nichts aus Leere, Hitze und Schweiß das in meinem Zimmer herum wabbt, wie die Stille nach deinem letzten Satz. Der verschwindende Duft der letzten Nacht. Der Blick geht in Richtung dunkler Sternenhimmel. Leere blickt in Leere. Die Hoffnung auf Erkenntnis aus der Dunkelheit des Nichts heraus. Aber wo nichts ist, da kann auch nichts werden. Die Fragen die man stellt, sie verhallen Lichtjahre entfernt zwischen den Lichtern längst erloschener Sterne.

Mittlerweile ist sogar dein Duft – unser Duft – nur noch eine bleiche Erinnerung die irgendwo in meiner Nase verhallte und in Vergessenheit geriet. Ich weiß das es ihn gibt, aber nicht mehr wie er riecht. So wie die Plätze der Stadt langsam deine Farbe verlieren und nur noch hier und da ein blasser Schimmer, der einst so leuchtenden Kunstwerke deiner Seele, zu sehen ist, so verliert auch die Erinnerung an dich langsam immer mehr ihre Konturen und Kontraste. Ein vom Mondlicht ausgeblichenes Polaroid. Immer weniger Bilder und Gedanken erinnern an dich. Den letzte Strohhalm der mich regelmäßig an dich erinnert hat, habe ich heute entsorgt und damit auch die Möglichkeit, dass du über Nacht bleiben kannst.

Komisch dass das Erste und Einzige was du wirklich hier gelassen hast, das Letzte ist was was am Ende bleibt von dir. Deine Zahnbürste. Aber die hatte ich dir ja auch geschenkt.

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Gezwungenes Desinteresse

„Warum?“ Ich werfe dir das Wort mehr vor die Füße, als das ich dir die Frage wirklich ins Gesicht stelle. Dein Blick aber verrät mir eh schon mehr als du es jemals ausdrücken könntest. Du schluckst. „Weil. Weil..“ Der Rest deiner Aussage geht in einem Sturm meiner Gedanken unter. Ich will es gar nicht hören. Kann es nicht. Es interessiert mich nicht. Hohle Phrasen. Gesprochen um sich selbst davon zu überzeugen, dass das was man gerade tut die richtige Entscheidung ist. Selbstbetrug zum Selbsterhalt.

Durch meinen Gedankensturm dringen Worte wie „falsche Zeit“, „zu wunderbar“, „nicht verletzten wollen“. Ein sinnloses Phrasen aneinanderreihen, um einfach irgendwas zu sagen. Stille ist für dich in diesem Moment unerträglich. Dann müsstest du wirklich denken. Fühlen. Begreifen. So aber kannst du einfach reden. Wobei sprechen es hier besser trifft. Geredet haben wir in der Zeit davor. Wirklich geredet. Nicht nur ein Refugium an Smalltalkbrei gegenseitig auf uns abgelassen. Nein. Wirkliches Reden. Über das Leben. Die andere Person. Gefühle. Ängste. Hoffnungen. Schicksalsschläge und auch dunkle Geheimnisse. Wir wissen wohl mehr von uns als 99% unserer Freunde und doch kannst du gerade nicht mit mir reden. Kannst du nicht einfach schweigen und die Tatsache, die so klar vor uns steht einfach stehen lassen. Schweigen als höchste Kunst des Redens.

Ich hätte gerne nochmal mit dir geredet, auch ohne Worte, aber schon jetzt zeigen sich erste Anzeichen dessen, was wohl unvermeidlich ist in ein paar Tagen. Gezwungenes Desinteresse. Austauschen der obligatorischen Smalltalk-Floskeln. Zum Erhalt einer Freundschaft die so nicht existieren kann. Obwohl man eigentlich soviel mehr fragen würde. Zu den tausend kleinen Visionen die der andere hatte. Zu den Wünschen. Den Hoffnungen und den Ängsten. So aber drehen sich die Themen um die letzte Party, das Wetter und das allgemeine Wohlbefinden. Welches man dem anderen praktisch aus den Augen ablesen kann, wo man sich aber dennoch mit der einfacher zu akzeptierenden Lüge abspeisen lässt, Der verzweifelte Versuch durch Desinteresse, Interesse zu signalisieren. So das am Ende weniger bleibt als man es wollte. Weil man selbstbetrügerisch nicht konnte wie man wollte, obwohl man wollte was man konnte. Der Freundschafts letzter Hohn – gezwungenes Desinteresse.

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Das was möglicherweise wirklich wichtig ist

Sucht man Gesellschaft, sucht es sich zu zweit immer besser als alleine. Oft ist auch der Weg das Ziel. Unzählige Abende die man allein zu zweit verbringt, aneinander vorbei, suchend nach dem einen Menschen. Zwei Piloten ohne Flugzeug machen den Wingman obsolet. Wir treiben auf dem Meer ohne Hafen, aus der Karibik des ersten Kennenlernens, wieder einmal direkt in Stürme vor Kap Horn. Ich bedaure der Seenotrettungsgesellschaft nie gespendet zu haben, während ich ertrinkend meine Hände nach dir ausstrecke.

Wieso sollte ich meine Symptome schildern, wenn doch weit und breit kein Arzt in der Nähe ist. Brauche ich einen Psychiater? Oder braucht vielleicht ein Psychiater ohne Doktorarbeit mich, um ein interessantes Thema für eben diese zu finden?

Wie jeder gute Ertrinkende schlage ich in Panik um mich und stoße dich so immer wieder von mir weg, obwohl ich doch eigentlich wissen sollte das du meine Rettung bist. Ist es verrückt von mir anzunehmen das du immer wieder da sein wirst, oder ist es verrückt das du tatsächlich immer wieder da bist? Ich bin dir fast so dankbar dafür wie ich mich dafür hasse.

Es gibt wenige Menschen die mich so gut kennen, und manchmal glaube ich du kennst mich besser als ich. Denn ich wäre gegangen.

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Dein Name in meinem Arm

Langsam nahm er auf dem Stuhl platz. Er hatte lange drüber nachgedacht. Für und Wider abgewogen. Sowas bleibt ja schließlich dauerhaft und auf dem Unterarm – da sieht man sowas auch relativ leicht. Vermutlich würde er einige Jobs nicht mehr annehmen können aber das war ihm egal. So etwas war ein Statement. Ein Lebensgefühl. Dein Name in meinem Arm. Außerdem tat er es für sie. Wie alles in dieser Beziehung war auch diese Handlung ein Liebesgeständnis seinerseits an sie.

Noch einmal tief einatmen, dann ging es auch schon los. Der erste Stich tat ziemlich weh. Schmerzerfüllt verzog er das Gesicht und probierte den Schmerz mit positiven Gedanken an sie zu überbrücken. Er dachte an den ersten gemeinsamen Urlaub im Süden. Wie sie beide durch die engen Gassen der Altstadt gelaufen waren, Eis aßen und gelacht haben. Über die Sprache, die Menschen und die Stadt. Am meisten aber über sich selbst. Während er sich dieser glücklichen Momente erinnerte entstand auf seinem Unterarm langsam der erste Buchstabe.

Der Schmerz war mittlerweile erträglich geworden. Oder hatte es sich dran gewöhnt und es einfach akzeptiert – wie er auch so vieles von ihr akzeptiert hatte? Er konnte es nicht sagen! während die nächsten Buchstaben entstanden, schweifte er wieder ab, dachte über sie, über ihn, über sie beide nach. Er liebte sie. Das war sicher. Aber sie hatten sich voneinander entfernt. Einfach so. Ohne es zu merken. Er wollte es mit aller Macht verhindern. Aber er konnte nicht – er wollte vermutlich aber auch einfach nicht. Es war zum verrückt werden.

So verrückt es auch war. Er musste ihr diesen Liebesbeweis erbringen. Musste ihr zeigen was sie für ihn bedeutete, was er bereit war zu tun. Damit sie endlich auch mal so für die Beziehung einstand. Wie oft hatte er sie gebeten etwas zu ändern. Auf ihn einzugehen. Aber sie konnte es nicht? wollte es nicht? es interessierte se nicht? Er konnte es nicht erklären.

Er wusste nur das er ihr seine Liebe auf eine ganz besondere Art und Weise zeigen musste. Der Schmerz half ihm dabei das nun endlich klar zu sehen. Der letzte Buchstabe ihres Namens war so gut wie fertig. Bevor er zum letzten Teil ansetzte, genehmigte er sich einen weiteren Schluck aus der offenen Whiskyflasche, wischte sich die Tränen unter den Augen weg und setzte wieder an. Seine Tränen unterlaufenden Augen verschlechterten seine Sicht, doch das war ihm egal.

Vorsichtig setzte er an, drückte die Spitze leicht in die pulsierende blutüberströmte Haut seines linken Unterarms und begann den letzten Strich zu ziehen. Irgendetwas in ihm zwang ihn dazu immer fester zu drücken. Durch die Haut in das Fleisch seines Armes hinein drückte er die Spitze immer tiefer. Der Schmerz war höllisch und himmlisch zu gleich. Er konnte es nicht lassen, er zog den Strich weiter und weiter bis er einen Nerv traf, abrutschte und sich die Pulsader kurz vor der linken Hand auf einer Länge von drei Zentimetern glatt Aufschnitt.

Vor Schreck ließ er das Messer fallen und schaute wie erstart auf die pulsierenden Blutströme aus seinem Unterarm. Bevor er überhaupt daran denken konnte auf irgendeine Art und Weise Hilfe zu rufen, wurde ihm Schwarz vor Augen und er fiel klatschend in sein eigens Blut. Der letzte Gedanke den er fassen konnte war die Erkenntnis, das seelischer Schmerz nicht durch körperlichen ausgeglichen werden konnte.

Der Welt würde er diese Erkenntnis nie mitteilen können.

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Hamsterräder

Ich sehe sie nicht, ich laufe gegen Wände, die ich mir durch das Streben nach schnellem Fortkommen selbst erschaffe. Sie spornen mich dazu an schneller zu werden, sie zwingen mich dazu, und wenn ich irgendwann meinem eigenen Tempo nicht mehr gerecht werde, dann spucken sie mich aus.

Ich breche die Brücken ab die hinter mir liegen, in der Hoffnung das mir die Geister die ich rief nicht mehr folgen könnten. Ein Irrglaube, wo sie doch wissen wo ich sein werde noch bevor ich meine Schritte gesetzt habe. Wem der Schalk im Nacken sitzt der hat sein Päckchen zu tragen und es trägt schwerer als man vermuten könnte, wo der unbeschwerte Humor doch Leichtigkeit verspricht.

Die Landschaft um mich herum verändert sich, doch die Perspektive bleibt stets dieselbe. Ich blicke zum Horizont der mir die Freiheit verspricht, die ich doch auf meiner Flucht längst genieße.  Aber Stillstand ist Rückschritt, weshalb ich stets in Bewegung bleibe und mich auf meinem Lauf, bei dem mich weder Ochs noch Esel aufhalten können, versuche an den Sternen zu orientieren um bloß nicht von meinem Kurs abzukommen. Doch wie uns schon Christoph Columbus lehrte liegen die größten Entdeckungen oft in völliger Orientierungslosigkeit und die sichersten Pläne kollidieren mit Eisbergen und sinken.

Folgerichtig beschließe ich am Tag weiterzuwandern und mich nach jeder Pause fünfmal um die eigene Achse zu drehen.

Torkelnd und mit einem latenten Brechreiz kämpfend betrete ich ein Dorf, welches am Rand des Meeres liegt und daher einen Wendepunkt meiner Reise markiert, was in diesem Sinne nicht im übertragenen Sinne zu verstehen ist. Ich musste umdrehen. Natürlich dachte ich daran hier länger zu verweilen, allerdings sollte sich die Konversation als ausgesprochen schwierig herausstellen, da mir meine rudimentären Sprachkenntnisse keine Türen zu öffnen vermochten.

War das Suchen nach den richtigen Dingen der falsche Ansatz gewesen, war das ziellos umherwandern noch nicht konsequent genug gewesen, muss man nicht vielleicht nach den falschen Dingen suchen um die richtigen Dinge zu finden. Aber ist es mir noch möglich die richtigen Dinge als die Richtigen zu erkennen, wenn ich doch nicht erwarte sie zu finden? Sieht Südamerika dann nicht auf einmal so aus wie Indien? Oder halte ich am Ende vielleicht sogar Indien für einen Eisberg und weiche ihm aus?

Renne ich am Ende so oft am Glück vorbei weil ich dachte ich müsste davor weglaufen um es zu finden, dass ich es am Ende wirklich schaffe wegzulaufen?

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