Märzchen, du

Der kalte Winter war überwunden und in der leichten Wärme des Frühlings erwachten die Straßen der Stadt aus ihrem Winterschlaf. Die profitorientiertesten der lokalen Barbesitzer schoben die letzten Schneeflocken von den Gehwegen und stellten Tische und Stühle unter Sonnenschirme. Eine für den März doch leicht seltsam anmutende Tätigkeit. Aber der März ist eh ein seltsamer Monat – einer den man sich eigentlich schenken kann. Nicht mehr richtig im Winter angesiedelt, aber wegen des Aprils auch noch nicht im Frühling verortet. Ein „kann-aber-muss-nicht“ Ungetüm.

Trotz dieser Sonne hatte er den Kragen seines Mantels hochgestellt. So ganz vertraute er der wiedergewonnen Wärme dann doch nicht. Zu schnell konnte sich das Wetter in diesem Monat noch ändern. Im Slalom durch die Barbesitzer navigierend versuchte er leicht genervt, vom plötzlichen Trubel in der Stadt, seine Einkäufe vom Markt sicher nach Hause zu transportieren. Eier. Milch. Blaubeeren. Alles frisch. Wie damals. Sie hatte Pfannkuchen mit Blaubeeren geliebt. Am besten Sonntags im Bett mit einem starken Kaffee. Den Kaffee trank er mittlerweile alleine und auch die Pfannkuchenzutaten kaufte er eher wegen Pavlov und nicht aus Appetit.

Irgendwie hatte er es dann doch durch den Irrgarten von Stühlen, Tischen und Barbesitzern nach Hause geschafft und schaltete aus Reflex den Herd an, während er die Einkäufe im Kühlschrank verstaute. Gedankenverloren holte er die Waage aus dem Schrank. Wog das Mehl, schlug die Eier auf, rief wie gewohnt : mit oder ohne Zucker? und kam wieder in der Wirklichkeit an. Da war niemand mehr der hätte antworten können. Nur die leeren Wände, an denen einst Bilder gehangen hatten, welche ein Echo zurückwarfen das perfekt seine Gefühlslage spiegelte. Schlecht. Die 70qm waren trotz der Möbel praktisch leer. Übrig geblieben waren drei Zimmer, ein Balkon und ein Induktionsherd. Für einen alleine eigentlich zu viel. Für sie beide war es genau richtig gewesen.

Es hatte so gut begonnen. Seit langem endlich mal wieder jemand der mehr war als ein zungenverknotendes Geknutsche im Raucherraum der lokalen Disko oder ein vernebelter Fick nach einer Studentenparty. Schusseligkeit gepaart mit Intelligenz und einem Schönheitsideal der 70er Jahre. Mit der modernen Gesellschaft nicht ganz kompatibel aber für ihn perfekt. Sie war so etwas wie sein verlorener Zwilling gewesen. Seine Nanni. Sein Trick und Track. Seine Sandra. Er war mehr zufällig über sie gestolpert, als er im Park probiert hatte die Herbstsonne mit seiner Kamera einzufangen. So hatte er mit einer kaputten Kamera, aber einem super Gesprächseinstieg bis tief in die Nacht hinein auf ihrer Decke gesessen und über Wünsche, Hoffnungen und die aktuelle Staffel Community geredet.

Die darauffolgenden Gespräche wurden länger, intensiver und regelmäßiger. Aus Stunden wurden Tage. Aus Tagen wurden Monate und ein Jahr später war sie Dauergast in seiner Wohnung. Drei Zimmer. Balkon. Induktionsherd. Sie hatte mittlerweile dort ein wenig umgeräumt, hier ein wenig dekoriert und sein Leben vollkommen umgestellt. Hatte über ihre, über seine, über die gemeinsame Zukunft geredet. Hatte ausgemalt und in die Luft geschrieben. Hatte geschwärmt und Hoffnungen gemacht. Um dann einfach zu gehen, als sie keine Worte mehr fand. Als alles gedacht, geschwärmt und gesagt war. Ein Grund hatte sie ihm nie gegeben. Nur zwei Tragetaschen mit ihren Habseligkeiten mitgenommen und ihn zurück gelassen. Gefangen zwischen dem verrückten Nachbarn und einem kaputten Kühlschrank.

Sie war genauso wie der März nach einem kalten Winter. Zu viel um eine beste Freundin zu sein, aber zu wenig für eine dauerhafte Beziehung. Eine kann aber muss nicht Person. Ein Märzchen.

Weiterlesen

Staub(ge)schichten

Mit dem ihm so vertrauten Klack schnappte das Schloss einmal zurück und ließ die Tür sanft aus dem Rahmen springen. Er atmete tief durch. Langsam, nur mit dem Zeigefinger drückte er die ausgeblichene, ehemals weiße und mit einem Vorhang verhangene Tür auf. Knarzend gab sie den Blick auf den dunklen Flur frei den er seit gut vier Wochen nicht mehr betreten hatte. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Die Tapete. Die Garderobe. Der Brandfleck im Parkett von den Wunderkerzen an Silvester. Alles war noch da wo es sein sollte. Relikte einer Zeit die so nicht mehr war. Nicht mehr sein würde. Einen tiefen Atemzug später stand er in der Wohnung. Zitternd. Die Hand immernoch an der äußeren Türklinke, zog er diese mit einem leichten Ruck nach hinten und machte den ihm so vertrauten Ausfallschritt nach Links, um dem Gewicht aus Holz und Glas aus dem Weg zu gehen. In pavlovscher Manier öffnete er im selben Moment den Mund, um die gleichen Worte wie immer an den dünnen Wänden in schlechten Echos und einem zu lauten Fernseher untergehen zu lassen – aber es blieb Still. Er bekam keinen Ton heraus. Da waren keine Echos und kein Fernseher. Nur sein kurzer, schneller Atem und die krachend hinter ihm ins Schloss fallende Tür.

Der Stillstand von vier Wochen war nur allzu deutlich wahrzunehmen. Niemand hatte gelüftet. Niemand hatte geputzt. Alles roch noch so wie er es verlassen hatte. Mit dem Finger über die kleine Kommode gegenüber der Garderobe fahrend, wirbelte er kleine Staubwolken auf die sich in ihrem Duft verloren und unbemerkt zu Boden gingen. Seine Gedanken verloren sich in diesem Eiland der Vergangenheit. Eines Abends hatte sie angefangen zu reden. Über ihre Vergangenheit. Ihre Geschichte. Hatte versucht ihn zu erklären warum sie in letzter Zeit so unnahbar gewesen war. Warum sie lieber nachts alleine durch die Stadt gelaufen war, anstatt mit ihm im Bett, auf dem Sofa oder dem Boden zu liegen. Hatte Skylar Grey zitiert und gesagt, dass sie gehofft hatte das es besser werden würde, weil es immer kurz vor der Dämmerung am Dunkelsten ist. Aber das die Dunkelheit immer stärker wurde und sie nicht glaube das die Dämmerung noch einmal kommen würde. Hatte Metapher um Metapher hervorgeholt um die Wahrheit noch nicht aussprechen zu müssen. Erzählte von den Jahren zuvor. Ihrer Harmonie. Ihrer Chemie. Ihrem grenzenloses Vertrauen. Ständig wiederholte sie was sie gehabt hatten. Nicht einmal bekam sie den Bogen in die Zukunft. Irgendwo im Labyrinth ihrer Wünsche und der Zeit hatte sie sich verlaufen.

Er nickte. Ohne wirklich darüber nachgedacht zu haben, führten seine Muskeln die seit Jahrtausenden für Zustimmung bekannten Bewegungen aus. Den Kopf erst heben und dann wieder senken. Heben. Senken. Heben. Senken. Er führte die Bewegung aus wie ein Wackeldackel. Beeinflusst durch seine Umwelt – ohne zu wissen warum. Zuhören konnte er nicht mehr. Sein Kopf hatte auf Leerlauf geschaltet. Auf Sahara und Antarktis zugleich. Er wollte ihr auf seinen Schultern den Ausgang aus dem Labyrinth zeigen, wusste aber dass auch das nicht würde helfen können, da ihr Kompass schon lange keine Nadel mehr besaß. So saß er stumm auf dem Sofa und nickte. Hörte ihr zu wie sie ihre wichtigsten Sachen zusammen packte und nickte. Hörte ihr zu wie sie sagte das sie nun erstmal zu einer Freundin ziehen würde und nickte. Hörte ihr zu wie sie die Tür hinter sich zu warf und nickte. Blieb noch lange einfach so auf dem Sofa sitzen, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Er saß einfach nur da und nickte. Völlig abgeschottet von der Welt.

Die Bilder verschwammen vor seinem geistigen Auge und ließen ihn auf den schwarzen leblosen Fernseher vor ihm blicken. Unbewusst war er zurück ins Wohzimmer gegangen. Vorbei an der Schrankwand. Vorbei an der Küche. Vorbei an dem quietschenden Sofa. Bis hin zum Fernseher in der Ecke. Eine dünne Staubschicht hatte sich auf dem Bildschirm gebildet, so dass das Bild darunter schlechter zu erkennen sein würde. Eigentlich wollte er nur seine DVDs holen. Stattdessen setzte er sich wieder aufs Sofa und starrte ins Nichts. Versuchte hier im Epizentrum den Grund für das Beben zu finden. Analyse um Analyse jedes vorgefallenen Streits führte er durch, aber nichts konnte ihre Handlung auch nur Ansatzweise erklären. Nichts konnte ihm sagen warum sie gegangen war, warum auch mehr Leuchtfeuer für den Weg zurück als es Strassenlatern in New York gab, keinen Sinn haben würden. Nichts konnte ihm erklären warum manche Gefühle einfach nicht mehr da sind. Genauso wenig wie er sich erklären konnte, warum seine damals da gewesen waren.

Weiterlesen

So lange du mich lässt

Es war ja nicht so als wären da keine Aussprüche gewesen die mit müssen, können oder würden geendet hatten. Das Wissen war da. Aber die Praxis nicht. Außer die von deinen Eltern – In der du arbeiten wolltest seitdem dein Vater Fiffi gerettet hatte. Die kleine graue Katze die nur noch ganz kurz durch mein Leben getapst war. Veterinärmedizin. Ein Wort wie ein drei Meter Kantholz im Rachen. Dafür hatte ich hatte dich von Anfang an bewundert. Nicht deine Tierliebe. Nicht deinen Zoo. Sondern deine Art die Dinge anzugehen. Deinen Willen und deine Zielstrebigkeit. Du wusstest mit zehn bereits klar was du wolltest im Leben. Knapp achtzehn Jahre später weiß ich nicht mal was ich später essen würde.

Nicht dass das von Relevanz wäre was ich nachher esse. Irgendetwas simples werde ich schon finden. Etwas simpleres als das was wir immer gegessen haben. Vegan und Fleischliebe. Da ist kochen nicht simpel – sondern eher Endgegnerstyle. Wie die Regenbogenstrecke bei Mario Kart oder Flappybird. Dennoch hatten wir es versucht. Ich hatte mich mit Tofu arrangiert und du mit dem Steak in deiner Pfanne. Gut, es war meine Pfanne in deiner Wohnung, aber was zählte war der Gedanke. Doch manchmal reicht der Gedanke einfach nicht. Insbesondere dann, wenn Bewunderung auf Akzeptanz trifft.

Eine Akzeptanz die durch, im Nachhinein flüchtig gesprochene, Liebesbekundungen und Abschiedsküsse eine gewisse Zeit Begeisterung vorspielen, aber nicht darüber hinweg täuschen, kann, dass du die Zeit mit mir doch lieber mit deinem Pferd verbracht hättest. Ich wollte mit dir in den Urlaub fahren. Ein mal rund durch Europa. Du bist lieber einmal rund durch die Reithalle voltigiert. Erst zweimal die Woche. Dann vier Mal. Dann fünf Mal und zum Schluss drölf Mal. Deine Nachrichten wurden weniger und wenn mal was kam, dann war es ein Bild von deinem Pferd. Oder deiner zweiten Katze. Oder deinem Wellensittich. Oder von dir mit allen dreien zusammen. Bremer Stadtmusikanten hast du dann drunter geschrieben. Ich hab irgendwann nichts mehr geschrieben.

Jetzt, Jahre später habe ich das immer noch alles genau im Kopf. Deinen Gaul. Die zweite Katze und den verdammten Wellensittich, der mich immer unterbrochen hat wenn ich was wichtiges sagen wollte. Ich hab mich nie mit deinem Zoo anfreunden können und du nie mit meiner Einstellung. Trotzdem halte ich mich immer noch an dir fest. An deiner Unumstößlichkeit und deinem Eifer. Nicht das du die Praxis deiner Eltern übernommen hättest, du hast dein Glück wo anders gefunden. Facebook könnte mir sagen wo und Instagram wie, aber ich lese lieber deine alten Briefe und Nachrichten. Über Fleiß. Über Mut. Über die Simplizität Berge zu versetzten.

So erhalte ich dich und mich. Für mich. So lange ich mich lasse.

Weiterlesen

Auf Chance reimt sich immer noch Irrtum

Verborgen hinter Umzugskartons versuchten zwei 30 Watt Ikea Stehlampen ihr Bestes um dem Raum durch indirektes Licht etwas Atmosphäre zu verpassen. Ein unmögliches Unterfangen – wie ich bereits beim Betreten des Raumes feststellen musste. Nicht das es an den Stehlampen gelegen hätte. Ihr Licht wurde durch die braunen Kartons angenehm gedämpft. Das Problem war das Strobolicht aus dem Nachbarzimmer und der Bass der die Bilder an der Wand rhythmisch bewegte.

Irgendwer war neu in die WG gezogen und feierte seinen Einzug. Mit Oettinger in der Hand hockte ich im Schneidersitz auf dem Boden zwischen Thomas und Sabrina. Thomas war wie immer relativ schnell angeheitert und unterhielt die kleine Gruppe allein. Gedanken verloren trank ich hin und wieder einen Schluck Bier und fragte mich nicht zum ersten Mal an diesem Abend wieso ich der Einladung überhaupt zugesagt hatte und was ich hier sollte. Obwohl wir nicht mehr den geringsten Kontakt hatten, hatte ich zwei Sekunden nach dem Facebook „bing“ die Einladung angenommen und musste jetzt über die schon fünfmal gehörten Eskapaden von Thomas lachen.

Nachdem gefühlt 300. halbherzigen Lachen und der sechsten Frau die Thomas mit einer ach so lustigen Story rumbekommen hatte wurde es Zeit für eine Zigarette. Während ich probierte ohne umzufallen aus dem Schneidersitz aufzustehen, wurde es auf einmal ruhiger und alle schauten mich erwartungsvoll an. Ohne hinzusehen wusste ich du hattest den Raum betreten. Wieso konnten die nicht einfach weiter reden. Es gab nichts was wir uns hätten sagen können was so wichtig gewesen wäre, dass Thomas seine Geschichte über Anja hätte unterbrechen müssen. Mit einem „ich geh erstmal rauchen“ ging ich an dir vorbei durch den Türrahmen und ließ dich in meinem Lieblingskleid stehen.

Ohne zurück zu sehen navigierte ich über den zur Tanzfläche umfunktionierten Flur zielstrebig zum Balkon. Vorbei an, zu Musik die ich nicht mochte, tanzenden Menschen die ich nicht kannte, über Bierlachen und knutschende Pärchen. Auf dem Balkon atmete ich erstmal tief durch zog den Tabakbeutel aus der Tasche und begann zu drehen. Wieso hattest du genau das Kleid an. Auf der ersten gemeinsamen Party seit einer gefühlten Ewigkeit. Du wusstest das es mein Lieblingskleid war und hattest es während unserer Zeit nur zweimal angehabt. Wieso? Was erwartetest du von diesem Abend?

Wir hatten einfach nichts mehr zu besprechen. Ich hatte dir alles gesagt. Alles gegeben. Immer wieder. Ein kleiner Kompromiss hier. Ein Zugeständnis da. Aber das war nicht genug. Nicht für dich. Also bist du gegangen bevor es ernst wurde. Jetzt hast du mich also eingeladen und hast dieses verdammte Kleid an. Du hast vier Millionen Kleider. Wieso genau das? Ich dachte mich in Rage. Wollte dich wieder vergessen. Aber jetzt warst du wieder da. Omnipräsent und lächelnd. Im Türrahmen. In diesem Kleid.

Nach einer gefühlten weiteren Ewigkeit und fünf Zigaretten sowie drei Bier später hatte ich mich endlich wieder beruhigt und verließ den Balkon. Ein frisches Bier in der Hand, fasste ich den Entschluss dir doch nochmal eine Chance zu geben. Zumindest mal mit dir reden. Hören wie es dir geht. Was du zu sagen hast. Die Tanzfläche betretend suchten meine Augen nach dir. Nach dem einen Kleid. Gefunden. In den Armen von Thomas. Gehässig grinsend setzte ich die Flasche an. Trank sie in einem Schluck aus, ließ sie fallen, nahm meine Jacke und ging.

Im Kopf hallte mir Jupiter Jones noch lange nach: Am schönsten ist die Chance die man verpasst.

Weiterlesen

…und dann warst da du

Ich hatte mich gerade damit abgefunden. Also so, dass ich wieder lachen konnte. Dass mich nicht alles an sie erinnerte. Dass ich nicht dachte: Junge, du hast den dümmsten Fehler deines Lebens gemacht. Ich hatte wieder ein Lächeln auf den Lippen. Die Sonnenbrille im Gesicht und fühlte mich gut. Befreit. Geduscht. Die Altlasten abgeworfen. Ich wollte mich selbst genießen. Mich selbst feiern. Mich in mich selbst verlieben. Mich wieder wertschätzen. Ich wollte einfach frei sein. Und dann warst da du. Ohne TamTam. Ohne Fanfaren. Einfach da.

Einfach so. Ohne, dass du das wolltest. Ohne, dass ich das wollte. Es war Zufall. Schicksal. Fügung. Oder einfach nur das Leben. Aber auf einmal waren da wir. Du wolltest das. Ich wollte das. Wir haben uns gegenseitig gefeiert. Uns gegenseitig genossen. Uns gegenseitig wertgeschätzt. Wir haben uns gegenseitig frei gemacht. Anstatt mich in mich zu verlieben, habe ich mich in dich verliebt. Habe dich geduscht. Probiert zu befreien. Von den Gedanken. Den Altlasten. Der Vergangenheit. Da war auf einmal Zukunft. Für mich. Aber nicht für dich. Und dann warst da du – nicht mehr.

Weiterlesen

Jäger des verlorenen Schatzes

Damals hattest du immer so ein Funkeln in den Augen, wenn du etwas ganz besonders gesehen hast. Dein Mund wurde dann spitzer und deine Augen schmaler, ganz so, als würdest du etwas im Schilde führen. Aber immer ein Funkeln zwischen den Pupillen. Poeten ziehen in so einem Fall gerne den Vergleich mit Diamanten. Das ist mir in deinem Falle aber zu kitschig. Du warst nie kitschig. Eher so liebenswert einen Schritt neben der Gesellschaft. Weniger aus Überzeugung, als vielmehr wegen deines verplanten Charakters. Heute sieht man dich nur noch selten und auch das Funkeln in deinen Augen ist wie eine Anekdote aus längst vergangenen Zeiten. Eine Erinnerung. Die einst so stolze Person die ich kannte, ist heute nicht viel mehr als ein auf Grund gelaufenes Schiff, das täglich von den Wellen die gegen sie schlagen, ein Stück weiter vernichtet wird.

Dabei warst du soviel mehr. Du hast meine Welt in einer Zeit zusammen gehalten, in der nicht mal Duct Tape geholfen hätte. Du hast mir gezeigt, das – verzeihe mir den Kitsch – Traumpartner nicht eine Erfindung der Schreiberlinge aus der Stadt mit den großen Buchstaben am Berg sind, sondern wirklich existieren. Du hattest den schönsten Humor den man haben kann – meinen. Du hattest immer eine gute Flasche Wein im Haus. Da man bei einem Glas Wein einfach die besseren Gespräche führt. Du hast mir sogar Auberginen schmackhaft gemacht. Du hast mich, ganz einfach, mir ein Stück näher gebracht. Ohne es zu wollen. Du wolltest viel mehr ein dauerhaftes Funkeln zu jeder Tages und Nachtzeit in deinem Augen – und nicht nur wenn ich da bin. Du wolltest Freiheit, Spaß und Unabhängigkeit. Aber für welchen Preis.

Denn all das was ich damals sah, sehe ich heute nicht mehr. Heute sehe ich eine Person die nie wirklich richtig lacht, sondern vielmehr halbherzig einen Mundwinkel nach oben zieht. Eine Person die einen Schritt langsamer geht als früher, in der Hoffnung die Zeit würde anhalten und damit auch das Leben. Eine Person die soweit in der Mitte der Gesellschaft steht, das sie kaum noch auffällt. Eine Person die ihr eigener Schatten ist. In seltenen Momenten jedoch flackert in deinen Augen kurz ein Funkeln auf und deine alte Lebensfreude, mit der du jeden Raum in Sekunden eingenommen hast, schwabbt an die Oberfläche. Sie ist der Beweis, dass du die Hoffnung doch noch nicht ganz aufgegeben hast. Die Hoffnung, das irgendwann ein Schatzsucher dein Wrack am Strand findet und das Funkeln zurück in deine Augen bringt.

Denn in jedem Wrack steckt ein Schatz, man muss nur danach suchen. Aber niemals ein zweites Mal.

Weiterlesen