Gezwungenes Desinteresse

„Warum?“ Ich werfe dir das Wort mehr vor die Füße, als das ich dir die Frage wirklich ins Gesicht stelle. Dein Blick aber verrät mir eh schon mehr als du es jemals ausdrücken könntest. Du schluckst. „Weil. Weil..“ Der Rest deiner Aussage geht in einem Sturm meiner Gedanken unter. Ich will es gar nicht hören. Kann es nicht. Es interessiert mich nicht. Hohle Phrasen. Gesprochen um sich selbst davon zu überzeugen, dass das was man gerade tut die richtige Entscheidung ist. Selbstbetrug zum Selbsterhalt.

Durch meinen Gedankensturm dringen Worte wie „falsche Zeit“, „zu wunderbar“, „nicht verletzten wollen“. Ein sinnloses Phrasen aneinanderreihen, um einfach irgendwas zu sagen. Stille ist für dich in diesem Moment unerträglich. Dann müsstest du wirklich denken. Fühlen. Begreifen. So aber kannst du einfach reden. Wobei sprechen es hier besser trifft. Geredet haben wir in der Zeit davor. Wirklich geredet. Nicht nur ein Refugium an Smalltalkbrei gegenseitig auf uns abgelassen. Nein. Wirkliches Reden. Über das Leben. Die andere Person. Gefühle. Ängste. Hoffnungen. Schicksalsschläge und auch dunkle Geheimnisse. Wir wissen wohl mehr von uns als 99% unserer Freunde und doch kannst du gerade nicht mit mir reden. Kannst du nicht einfach schweigen und die Tatsache, die so klar vor uns steht einfach stehen lassen. Schweigen als höchste Kunst des Redens.

Ich hätte gerne nochmal mit dir geredet, auch ohne Worte, aber schon jetzt zeigen sich erste Anzeichen dessen, was wohl unvermeidlich ist in ein paar Tagen. Gezwungenes Desinteresse. Austauschen der obligatorischen Smalltalk-Floskeln. Zum Erhalt einer Freundschaft die so nicht existieren kann. Obwohl man eigentlich soviel mehr fragen würde. Zu den tausend kleinen Visionen die der andere hatte. Zu den Wünschen. Den Hoffnungen und den Ängsten. So aber drehen sich die Themen um die letzte Party, das Wetter und das allgemeine Wohlbefinden. Welches man dem anderen praktisch aus den Augen ablesen kann, wo man sich aber dennoch mit der einfacher zu akzeptierenden Lüge abspeisen lässt, Der verzweifelte Versuch durch Desinteresse, Interesse zu signalisieren. So das am Ende weniger bleibt als man es wollte. Weil man selbstbetrügerisch nicht konnte wie man wollte, obwohl man wollte was man konnte. Der Freundschafts letzter Hohn – gezwungenes Desinteresse.

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Das was möglicherweise wirklich wichtig ist

Sucht man Gesellschaft, sucht es sich zu zweit immer besser als alleine. Oft ist auch der Weg das Ziel. Unzählige Abende die man allein zu zweit verbringt, aneinander vorbei, suchend nach dem einen Menschen. Zwei Piloten ohne Flugzeug machen den Wingman obsolet. Wir treiben auf dem Meer ohne Hafen, aus der Karibik des ersten Kennenlernens, wieder einmal direkt in Stürme vor Kap Horn. Ich bedaure der Seenotrettungsgesellschaft nie gespendet zu haben, während ich ertrinkend meine Hände nach dir ausstrecke.

Wieso sollte ich meine Symptome schildern, wenn doch weit und breit kein Arzt in der Nähe ist. Brauche ich einen Psychiater? Oder braucht vielleicht ein Psychiater ohne Doktorarbeit mich, um ein interessantes Thema für eben diese zu finden?

Wie jeder gute Ertrinkende schlage ich in Panik um mich und stoße dich so immer wieder von mir weg, obwohl ich doch eigentlich wissen sollte das du meine Rettung bist. Ist es verrückt von mir anzunehmen das du immer wieder da sein wirst, oder ist es verrückt das du tatsächlich immer wieder da bist? Ich bin dir fast so dankbar dafür wie ich mich dafür hasse.

Es gibt wenige Menschen die mich so gut kennen, und manchmal glaube ich du kennst mich besser als ich. Denn ich wäre gegangen.

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Warst du schon lang nicht mehr da

Noch bevor der Schuss ertönte, war ich bereits mit dem Klicken des Abzuges los gelaufen. Es ging schließlich um den Lauf meines Lebens. In Kilometern war er nicht zu messen. Manche würden ihn in Jahren messen. Andere in Weggefährten. Ich maß ihn in Zeit. Die Zeit die ich mit dir verbringen würde. Die wichtigste Zeit meines Lebens. Für den Rest meines Lebens. Am Anfang, noch vor dem Startschuss, hatte ich deine Hand fest in meiner. Zusammengehalten durch den Uhu und das Gaffatape unserer Gefühle standen wir beide am Anfang und warteten auf das Zeichen loslaufen zu können. Als der Schuss dann endlich ertönte, war ich schon 10 Schritte voraus.

In meiner Hand hielt ich bereits zu diesem Zeitpunkt nur noch die Reste des Tapes und einige getrocknete Brocken Kleber, die mir das Gefühl gaben dich immer noch fest umschlossen neben mir zu haben. Vergewissert hatte ich mich nie. Ich konnte nicht zurück blicken. Ich musste vorwärts. Ich hatte ein Ziel. Wir hatten ein Ziel. Das Leben zusammen. Der kleinste gemeinsame Nenner den man sich vorstellen kann und doch gleichzeitig die größte Unbekannte in unserer Gleichung, die ich stümperhaft versuchte mit Hilfe von Grundschulmathematik und dem kleinen 1mal1 zu lösen.

Ich rannte wie ein Besessener immer weiter. Mein Blick so fest auf den Boden vor mir gerichtet um nicht zu stolpern, um diesmal alles richtig zu machen, das ich nicht bemerkte, wie ich immer weiter in die falsche Richtung lief. Irgendwann unterwegs merkte ich wie sich langsam aber sicher die Überreste unserer Versprechen an meiner Hand lösten. Ich lief trotzdem immer weiter. Getragen von der Hoffnung, das ich mir den Verlust nur einbildete, redete ich mir Geschichten ein die auf abstruse Art und Weise mein Handeln rechtfertigten ohne dich und deine Handlungen auch nur ansatzweise in Betracht zu ziehen.

Als dann der letzten Riss Gaffatape in mein Gesicht klatschte, wurde auch mir bewusst was ich so lange probiert hatte zu leugnen. Ich traute mich aber immer noch nicht zurück zu blicken. Mein Schritte wurden langsamer und gleichzeitig die Hoffnung größer das du ja nur ein paar Schritte hinter mir warst und gleich wieder meine Hand halten würdest. Aber je mehr Zeit verging, umso unsicherer wurde ich, bis ich irgendwann verzweifelt stehen blieb und mich umdrehte. Alles was ich von dir zu diesem Zeitpunkt noch sehen konnte, war ein kleiner Punkt am Horizont der sich scheinbar nicht bewegte und auf mich wartete. Ich atmete tief durch und begann den Weg zurück zulaufen. Erst langsam. Dann immer schneller. Irgendwann war ich wieder so auf den Weg und weniger auf den Punkt am Horizont fixiert, das ich nicht bemerkte das er nicht größer wurde. Als ich dann endlich dort ankam, wo ich dich zuletzt am Horizont gesehen hatte, 10 Schritte vom Anfang entfernt, warst du schon lange nicht mehr da.

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Disney’s „Paperman“ veröffentlicht

Zum Wochenende gibt es mal wieder eine Kurzgeschichte. Aber nicht in Worten und nicht von uns. Sondern von Disney. Gestern wurde nämlich Disney’s „Paperman“ veröffentlicht. Eine für den Oscar prämierte Kurzgeschichte. Ohne zuviel von der Handlung zu erzählen – es geht um einen Typen und Papier. WOW. Wer hätte das gedacht. Also falls ihr, wo auch immer ihr gerade hart abchillt (wer arbeitet um die Uhrzeit noch), gerade mal sechs Minuten Zeit habt, schaut euch den Kurzfilm an. Eine Lovestory ohne Schmalz. Von Disney! WOW.

Also lehnt euch zurück, genießt sechs Minuten heile Welt und freut euch auf die besten Menschen der Welt.

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Ein Milchkaffee

Ein Café. Frühling. Spätnachmittag. Die untergehende Sonne spiegelte sich sanft in der Fensterfläche und tauchte ihre Erscheinung in eine Mischung aus Gold und Gelb. Honig. Die Augen immer mal wieder leicht zusammengekniffen von den Strahlen der Sonne so dass er ihre tiefen braunen, oder waren es grüne, Augen kaum noch erkennen konnte, umspielte ein verschmitztes Grinsen ihren Mund. Hoffnung stieg in ihm auf. Sie lächelte. Der Witz war angekommen. Er gönnte sich einen Schluck von seinem Milchkaffee. Er trank nur wenig, da jedes Anheben der Tasse damit verbunden war, dass er ihr Gesicht für wenige Sekunden aus seinem Blickfeld verlor.

Das Gespräch entwickelte sich von selbst. Arbeit. Studium. Belanglosigkeiten. Er genoss es. Hörte zu. Erwiderte. Machte Witze. Immer wieder konnte er ein Lächeln auf ihre Lippen zaubern. Ihr Lachen. Strahlend. Offen. Ehrlich. Der Kaffee war langsam kalt. Er hatte ihn total vergessen. Er erzählte von seinem Studium. Was er danach vorhatte. Erst einmal ins Ausland, das macht man heute ja so. Wohin? Er wusste es nicht. Er sagte: einfach raus. Neues kennen lernen. Sie lächelte. Sie kannte das Gefühl. Er dachte: oder aber hier bleiben. Bei ihr. In dieser Sekunde. Diesem Moment. Er sprach es nicht aus. Kaffee.

Die Sonne verschwand hinter den Häusern in seinem Rücken und gab die Fensterfront frei. Er blickte in ein Café voller Menschen. Geschäftspartner. Freunde. Pärchen. Ihr Gesicht verschwamm in der Unschärfe des Vordergrunds. Im Innenraum wechselte ein Stück Kuchen auf einer Gabel die Tischseiten. Anfangsstadium. Glück. Er löste seinen Blick und sah sie an. Sie hatte kurz ihr Handy rausgeholt. Bestimmt nur die Uhrzeit. Wollte sie los? Kurz ein Schluck Kaffee. Mittlerweile kalt. Er atmete tief durch und nahm all seinen Mut zusammen. Du sag mal, setzte er an. Im selben Moment hörte er sie sagen: Mein Freund hat gerade… Oh entschuldige du wolltest was sagen? Er wusste es. Trotzdem. Leere. Ach nichts, hörte er sich sagen. Hob seine Tasse und trank in Ruhe seinen Kaffee aus.

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