Was am Ende bleibt

„Hast du sonst noch was bei mir?“ Die Kondome die ich extra noch gekauft und bei dir verstaut hatte, erwähne ich nicht. Glück für den Nächsten. „Nein, ich hatte nur das Ladekabel, aber das hab ich schon mitgenommen! Du?“ „Ne, ich glaube nicht.“ Stimmt, du hattest es dir hier nie wirklich gemütlich gemacht. Dafür jedes Mal deine riesen Tasche mitgeschleppt. Jeden Abend hast du deine Sachen ausgepackt und ins Bad getragen, nur um sie am nächsten morgen wieder zusammenzuraffen und zurück in deine Tasche zu werfen. Die T-Shirts die ich dir zum schlafen geliehen habe, hast du jedes Mal in den Wäschekorb geworfen. Fast so als wolltest du einfach nicht das hier irgendetwas von dir ist – auf Dauer.

„Ich würde jetzt gerne gehen.“ „Ich nicht… weil so lange wie wir hier sind, da.. da ist es noch nicht real!“ „Ich weiß, aber ich würde trotzdem gerne gehen!“ „…“ Diese letzte Verabschiedung bedeutete dann nur eins. Leere. Vier weiße Wände. Und ich. Das erdrückende Nichts aus Leere, Hitze und Schweiß das in meinem Zimmer herum wabbt, wie die Stille nach deinem letzten Satz. Der verschwindende Duft der letzten Nacht. Der Blick geht in Richtung dunkler Sternenhimmel. Leere blickt in Leere. Die Hoffnung auf Erkenntnis aus der Dunkelheit des Nichts heraus. Aber wo nichts ist, da kann auch nichts werden. Die Fragen die man stellt, sie verhallen Lichtjahre entfernt zwischen den Lichtern längst erloschener Sterne.

Mittlerweile ist sogar dein Duft – unser Duft – nur noch eine bleiche Erinnerung die irgendwo in meiner Nase verhallte und in Vergessenheit geriet. Ich weiß das es ihn gibt, aber nicht mehr wie er riecht. So wie die Plätze der Stadt langsam deine Farbe verlieren und nur noch hier und da ein blasser Schimmer, der einst so leuchtenden Kunstwerke deiner Seele, zu sehen ist, so verliert auch die Erinnerung an dich langsam immer mehr ihre Konturen und Kontraste. Ein vom Mondlicht ausgeblichenes Polaroid. Immer weniger Bilder und Gedanken erinnern an dich. Den letzte Strohhalm der mich regelmäßig an dich erinnert hat, habe ich heute entsorgt und damit auch die Möglichkeit, dass du über Nacht bleiben kannst.

Komisch dass das Erste und Einzige was du wirklich hier gelassen hast, das Letzte ist was was am Ende bleibt von dir. Deine Zahnbürste. Aber die hatte ich dir ja auch geschenkt.

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Gezwungenes Desinteresse

„Warum?“ Ich werfe dir das Wort mehr vor die Füße, als das ich dir die Frage wirklich ins Gesicht stelle. Dein Blick aber verrät mir eh schon mehr als du es jemals ausdrücken könntest. Du schluckst. „Weil. Weil..“ Der Rest deiner Aussage geht in einem Sturm meiner Gedanken unter. Ich will es gar nicht hören. Kann es nicht. Es interessiert mich nicht. Hohle Phrasen. Gesprochen um sich selbst davon zu überzeugen, dass das was man gerade tut die richtige Entscheidung ist. Selbstbetrug zum Selbsterhalt.

Durch meinen Gedankensturm dringen Worte wie „falsche Zeit“, „zu wunderbar“, „nicht verletzten wollen“. Ein sinnloses Phrasen aneinanderreihen, um einfach irgendwas zu sagen. Stille ist für dich in diesem Moment unerträglich. Dann müsstest du wirklich denken. Fühlen. Begreifen. So aber kannst du einfach reden. Wobei sprechen es hier besser trifft. Geredet haben wir in der Zeit davor. Wirklich geredet. Nicht nur ein Refugium an Smalltalkbrei gegenseitig auf uns abgelassen. Nein. Wirkliches Reden. Über das Leben. Die andere Person. Gefühle. Ängste. Hoffnungen. Schicksalsschläge und auch dunkle Geheimnisse. Wir wissen wohl mehr von uns als 99% unserer Freunde und doch kannst du gerade nicht mit mir reden. Kannst du nicht einfach schweigen und die Tatsache, die so klar vor uns steht einfach stehen lassen. Schweigen als höchste Kunst des Redens.

Ich hätte gerne nochmal mit dir geredet, auch ohne Worte, aber schon jetzt zeigen sich erste Anzeichen dessen, was wohl unvermeidlich ist in ein paar Tagen. Gezwungenes Desinteresse. Austauschen der obligatorischen Smalltalk-Floskeln. Zum Erhalt einer Freundschaft die so nicht existieren kann. Obwohl man eigentlich soviel mehr fragen würde. Zu den tausend kleinen Visionen die der andere hatte. Zu den Wünschen. Den Hoffnungen und den Ängsten. So aber drehen sich die Themen um die letzte Party, das Wetter und das allgemeine Wohlbefinden. Welches man dem anderen praktisch aus den Augen ablesen kann, wo man sich aber dennoch mit der einfacher zu akzeptierenden Lüge abspeisen lässt, Der verzweifelte Versuch durch Desinteresse, Interesse zu signalisieren. So das am Ende weniger bleibt als man es wollte. Weil man selbstbetrügerisch nicht konnte wie man wollte, obwohl man wollte was man konnte. Der Freundschafts letzter Hohn – gezwungenes Desinteresse.

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Das was möglicherweise wirklich wichtig ist

Sucht man Gesellschaft, sucht es sich zu zweit immer besser als alleine. Oft ist auch der Weg das Ziel. Unzählige Abende die man allein zu zweit verbringt, aneinander vorbei, suchend nach dem einen Menschen. Zwei Piloten ohne Flugzeug machen den Wingman obsolet. Wir treiben auf dem Meer ohne Hafen, aus der Karibik des ersten Kennenlernens, wieder einmal direkt in Stürme vor Kap Horn. Ich bedaure der Seenotrettungsgesellschaft nie gespendet zu haben, während ich ertrinkend meine Hände nach dir ausstrecke.

Wieso sollte ich meine Symptome schildern, wenn doch weit und breit kein Arzt in der Nähe ist. Brauche ich einen Psychiater? Oder braucht vielleicht ein Psychiater ohne Doktorarbeit mich, um ein interessantes Thema für eben diese zu finden?

Wie jeder gute Ertrinkende schlage ich in Panik um mich und stoße dich so immer wieder von mir weg, obwohl ich doch eigentlich wissen sollte das du meine Rettung bist. Ist es verrückt von mir anzunehmen das du immer wieder da sein wirst, oder ist es verrückt das du tatsächlich immer wieder da bist? Ich bin dir fast so dankbar dafür wie ich mich dafür hasse.

Es gibt wenige Menschen die mich so gut kennen, und manchmal glaube ich du kennst mich besser als ich. Denn ich wäre gegangen.

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Dein Name in meinem Arm

Langsam nahm er auf dem Stuhl platz. Er hatte lange drüber nachgedacht. Für und Wider abgewogen. Sowas bleibt ja schließlich dauerhaft und auf dem Unterarm – da sieht man sowas auch relativ leicht. Vermutlich würde er einige Jobs nicht mehr annehmen können aber das war ihm egal. So etwas war ein Statement. Ein Lebensgefühl. Dein Name in meinem Arm. Außerdem tat er es für sie. Wie alles in dieser Beziehung war auch diese Handlung ein Liebesgeständnis seinerseits an sie.

Noch einmal tief einatmen, dann ging es auch schon los. Der erste Stich tat ziemlich weh. Schmerzerfüllt verzog er das Gesicht und probierte den Schmerz mit positiven Gedanken an sie zu überbrücken. Er dachte an den ersten gemeinsamen Urlaub im Süden. Wie sie beide durch die engen Gassen der Altstadt gelaufen waren, Eis aßen und gelacht haben. Über die Sprache, die Menschen und die Stadt. Am meisten aber über sich selbst. Während er sich dieser glücklichen Momente erinnerte entstand auf seinem Unterarm langsam der erste Buchstabe.

Der Schmerz war mittlerweile erträglich geworden. Oder hatte es sich dran gewöhnt und es einfach akzeptiert – wie er auch so vieles von ihr akzeptiert hatte? Er konnte es nicht sagen! während die nächsten Buchstaben entstanden, schweifte er wieder ab, dachte über sie, über ihn, über sie beide nach. Er liebte sie. Das war sicher. Aber sie hatten sich voneinander entfernt. Einfach so. Ohne es zu merken. Er wollte es mit aller Macht verhindern. Aber er konnte nicht – er wollte vermutlich aber auch einfach nicht. Es war zum verrückt werden.

So verrückt es auch war. Er musste ihr diesen Liebesbeweis erbringen. Musste ihr zeigen was sie für ihn bedeutete, was er bereit war zu tun. Damit sie endlich auch mal so für die Beziehung einstand. Wie oft hatte er sie gebeten etwas zu ändern. Auf ihn einzugehen. Aber sie konnte es nicht? wollte es nicht? es interessierte se nicht? Er konnte es nicht erklären.

Er wusste nur das er ihr seine Liebe auf eine ganz besondere Art und Weise zeigen musste. Der Schmerz half ihm dabei das nun endlich klar zu sehen. Der letzte Buchstabe ihres Namens war so gut wie fertig. Bevor er zum letzten Teil ansetzte, genehmigte er sich einen weiteren Schluck aus der offenen Whiskyflasche, wischte sich die Tränen unter den Augen weg und setzte wieder an. Seine Tränen unterlaufenden Augen verschlechterten seine Sicht, doch das war ihm egal.

Vorsichtig setzte er an, drückte die Spitze leicht in die pulsierende blutüberströmte Haut seines linken Unterarms und begann den letzten Strich zu ziehen. Irgendetwas in ihm zwang ihn dazu immer fester zu drücken. Durch die Haut in das Fleisch seines Armes hinein drückte er die Spitze immer tiefer. Der Schmerz war höllisch und himmlisch zu gleich. Er konnte es nicht lassen, er zog den Strich weiter und weiter bis er einen Nerv traf, abrutschte und sich die Pulsader kurz vor der linken Hand auf einer Länge von drei Zentimetern glatt Aufschnitt.

Vor Schreck ließ er das Messer fallen und schaute wie erstart auf die pulsierenden Blutströme aus seinem Unterarm. Bevor er überhaupt daran denken konnte auf irgendeine Art und Weise Hilfe zu rufen, wurde ihm Schwarz vor Augen und er fiel klatschend in sein eigens Blut. Der letzte Gedanke den er fassen konnte war die Erkenntnis, das seelischer Schmerz nicht durch körperlichen ausgeglichen werden konnte.

Der Welt würde er diese Erkenntnis nie mitteilen können.

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Hamsterräder

Ich sehe sie nicht, ich laufe gegen Wände, die ich mir durch das Streben nach schnellem Fortkommen selbst erschaffe. Sie spornen mich dazu an schneller zu werden, sie zwingen mich dazu, und wenn ich irgendwann meinem eigenen Tempo nicht mehr gerecht werde, dann spucken sie mich aus.

Ich breche die Brücken ab die hinter mir liegen, in der Hoffnung das mir die Geister die ich rief nicht mehr folgen könnten. Ein Irrglaube, wo sie doch wissen wo ich sein werde noch bevor ich meine Schritte gesetzt habe. Wem der Schalk im Nacken sitzt der hat sein Päckchen zu tragen und es trägt schwerer als man vermuten könnte, wo der unbeschwerte Humor doch Leichtigkeit verspricht.

Die Landschaft um mich herum verändert sich, doch die Perspektive bleibt stets dieselbe. Ich blicke zum Horizont der mir die Freiheit verspricht, die ich doch auf meiner Flucht längst genieße.  Aber Stillstand ist Rückschritt, weshalb ich stets in Bewegung bleibe und mich auf meinem Lauf, bei dem mich weder Ochs noch Esel aufhalten können, versuche an den Sternen zu orientieren um bloß nicht von meinem Kurs abzukommen. Doch wie uns schon Christoph Columbus lehrte liegen die größten Entdeckungen oft in völliger Orientierungslosigkeit und die sichersten Pläne kollidieren mit Eisbergen und sinken.

Folgerichtig beschließe ich am Tag weiterzuwandern und mich nach jeder Pause fünfmal um die eigene Achse zu drehen.

Torkelnd und mit einem latenten Brechreiz kämpfend betrete ich ein Dorf, welches am Rand des Meeres liegt und daher einen Wendepunkt meiner Reise markiert, was in diesem Sinne nicht im übertragenen Sinne zu verstehen ist. Ich musste umdrehen. Natürlich dachte ich daran hier länger zu verweilen, allerdings sollte sich die Konversation als ausgesprochen schwierig herausstellen, da mir meine rudimentären Sprachkenntnisse keine Türen zu öffnen vermochten.

War das Suchen nach den richtigen Dingen der falsche Ansatz gewesen, war das ziellos umherwandern noch nicht konsequent genug gewesen, muss man nicht vielleicht nach den falschen Dingen suchen um die richtigen Dinge zu finden. Aber ist es mir noch möglich die richtigen Dinge als die Richtigen zu erkennen, wenn ich doch nicht erwarte sie zu finden? Sieht Südamerika dann nicht auf einmal so aus wie Indien? Oder halte ich am Ende vielleicht sogar Indien für einen Eisberg und weiche ihm aus?

Renne ich am Ende so oft am Glück vorbei weil ich dachte ich müsste davor weglaufen um es zu finden, dass ich es am Ende wirklich schaffe wegzulaufen?

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Warst du schon lang nicht mehr da

Noch bevor der Schuss ertönte, war ich bereits mit dem Klicken des Abzuges los gelaufen. Es ging schließlich um den Lauf meines Lebens. In Kilometern war er nicht zu messen. Manche würden ihn in Jahren messen. Andere in Weggefährten. Ich maß ihn in Zeit. Die Zeit die ich mit dir verbringen würde. Die wichtigste Zeit meines Lebens. Für den Rest meines Lebens. Am Anfang, noch vor dem Startschuss, hatte ich deine Hand fest in meiner. Zusammengehalten durch den Uhu und das Gaffatape unserer Gefühle standen wir beide am Anfang und warteten auf das Zeichen loslaufen zu können. Als der Schuss dann endlich ertönte, war ich schon 10 Schritte voraus.

In meiner Hand hielt ich bereits zu diesem Zeitpunkt nur noch die Reste des Tapes und einige getrocknete Brocken Kleber, die mir das Gefühl gaben dich immer noch fest umschlossen neben mir zu haben. Vergewissert hatte ich mich nie. Ich konnte nicht zurück blicken. Ich musste vorwärts. Ich hatte ein Ziel. Wir hatten ein Ziel. Das Leben zusammen. Der kleinste gemeinsame Nenner den man sich vorstellen kann und doch gleichzeitig die größte Unbekannte in unserer Gleichung, die ich stümperhaft versuchte mit Hilfe von Grundschulmathematik und dem kleinen 1mal1 zu lösen.

Ich rannte wie ein Besessener immer weiter. Mein Blick so fest auf den Boden vor mir gerichtet um nicht zu stolpern, um diesmal alles richtig zu machen, das ich nicht bemerkte, wie ich immer weiter in die falsche Richtung lief. Irgendwann unterwegs merkte ich wie sich langsam aber sicher die Überreste unserer Versprechen an meiner Hand lösten. Ich lief trotzdem immer weiter. Getragen von der Hoffnung, das ich mir den Verlust nur einbildete, redete ich mir Geschichten ein die auf abstruse Art und Weise mein Handeln rechtfertigten ohne dich und deine Handlungen auch nur ansatzweise in Betracht zu ziehen.

Als dann der letzten Riss Gaffatape in mein Gesicht klatschte, wurde auch mir bewusst was ich so lange probiert hatte zu leugnen. Ich traute mich aber immer noch nicht zurück zu blicken. Mein Schritte wurden langsamer und gleichzeitig die Hoffnung größer das du ja nur ein paar Schritte hinter mir warst und gleich wieder meine Hand halten würdest. Aber je mehr Zeit verging, umso unsicherer wurde ich, bis ich irgendwann verzweifelt stehen blieb und mich umdrehte. Alles was ich von dir zu diesem Zeitpunkt noch sehen konnte, war ein kleiner Punkt am Horizont der sich scheinbar nicht bewegte und auf mich wartete. Ich atmete tief durch und begann den Weg zurück zulaufen. Erst langsam. Dann immer schneller. Irgendwann war ich wieder so auf den Weg und weniger auf den Punkt am Horizont fixiert, das ich nicht bemerkte das er nicht größer wurde. Als ich dann endlich dort ankam, wo ich dich zuletzt am Horizont gesehen hatte, 10 Schritte vom Anfang entfernt, warst du schon lange nicht mehr da.

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