Das was möglicherweise wirklich wichtig ist

Sucht man Gesellschaft, sucht es sich zu zweit immer besser als alleine. Oft ist auch der Weg das Ziel. Unzählige Abende die man allein zu zweit verbringt, aneinander vorbei, suchend nach dem einen Menschen. Zwei Piloten ohne Flugzeug machen den Wingman obsolet. Wir treiben auf dem Meer ohne Hafen, aus der Karibik des ersten Kennenlernens, wieder einmal direkt in Stürme vor Kap Horn. Ich bedaure der Seenotrettungsgesellschaft nie gespendet zu haben, während ich ertrinkend meine Hände nach dir ausstrecke.

Wieso sollte ich meine Symptome schildern, wenn doch weit und breit kein Arzt in der Nähe ist. Brauche ich einen Psychiater? Oder braucht vielleicht ein Psychiater ohne Doktorarbeit mich, um ein interessantes Thema für eben diese zu finden?

Wie jeder gute Ertrinkende schlage ich in Panik um mich und stoße dich so immer wieder von mir weg, obwohl ich doch eigentlich wissen sollte das du meine Rettung bist. Ist es verrückt von mir anzunehmen das du immer wieder da sein wirst, oder ist es verrückt das du tatsächlich immer wieder da bist? Ich bin dir fast so dankbar dafür wie ich mich dafür hasse.

Es gibt wenige Menschen die mich so gut kennen, und manchmal glaube ich du kennst mich besser als ich. Denn ich wäre gegangen.

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Hamsterräder

Ich sehe sie nicht, ich laufe gegen Wände, die ich mir durch das Streben nach schnellem Fortkommen selbst erschaffe. Sie spornen mich dazu an schneller zu werden, sie zwingen mich dazu, und wenn ich irgendwann meinem eigenen Tempo nicht mehr gerecht werde, dann spucken sie mich aus.

Ich breche die Brücken ab die hinter mir liegen, in der Hoffnung das mir die Geister die ich rief nicht mehr folgen könnten. Ein Irrglaube, wo sie doch wissen wo ich sein werde noch bevor ich meine Schritte gesetzt habe. Wem der Schalk im Nacken sitzt der hat sein Päckchen zu tragen und es trägt schwerer als man vermuten könnte, wo der unbeschwerte Humor doch Leichtigkeit verspricht.

Die Landschaft um mich herum verändert sich, doch die Perspektive bleibt stets dieselbe. Ich blicke zum Horizont der mir die Freiheit verspricht, die ich doch auf meiner Flucht längst genieße.  Aber Stillstand ist Rückschritt, weshalb ich stets in Bewegung bleibe und mich auf meinem Lauf, bei dem mich weder Ochs noch Esel aufhalten können, versuche an den Sternen zu orientieren um bloß nicht von meinem Kurs abzukommen. Doch wie uns schon Christoph Columbus lehrte liegen die größten Entdeckungen oft in völliger Orientierungslosigkeit und die sichersten Pläne kollidieren mit Eisbergen und sinken.

Folgerichtig beschließe ich am Tag weiterzuwandern und mich nach jeder Pause fünfmal um die eigene Achse zu drehen.

Torkelnd und mit einem latenten Brechreiz kämpfend betrete ich ein Dorf, welches am Rand des Meeres liegt und daher einen Wendepunkt meiner Reise markiert, was in diesem Sinne nicht im übertragenen Sinne zu verstehen ist. Ich musste umdrehen. Natürlich dachte ich daran hier länger zu verweilen, allerdings sollte sich die Konversation als ausgesprochen schwierig herausstellen, da mir meine rudimentären Sprachkenntnisse keine Türen zu öffnen vermochten.

War das Suchen nach den richtigen Dingen der falsche Ansatz gewesen, war das ziellos umherwandern noch nicht konsequent genug gewesen, muss man nicht vielleicht nach den falschen Dingen suchen um die richtigen Dinge zu finden. Aber ist es mir noch möglich die richtigen Dinge als die Richtigen zu erkennen, wenn ich doch nicht erwarte sie zu finden? Sieht Südamerika dann nicht auf einmal so aus wie Indien? Oder halte ich am Ende vielleicht sogar Indien für einen Eisberg und weiche ihm aus?

Renne ich am Ende so oft am Glück vorbei weil ich dachte ich müsste davor weglaufen um es zu finden, dass ich es am Ende wirklich schaffe wegzulaufen?

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Bloggeschichte 12 – Kapitel IX – Jörg

„Junge Mann, wo biste Alter?“ ranzt mich ein sichtlich angepisster Fabian vom Ende der anderen Leitung an. „Na am See, ich hab dir doch die SMS geschrieben.“ „Ja den See an dem du bist den würd ich gerne sehen, schön verarscht haste ich. Da renn ich wegen dir aus der Disco und lass die Olle stehen, du glaubst doch nicht das die mich so wie ich aussehe da wieder reinlassen, und jetzt steh ich hier in der Butnik. Ich hätte es gleich wissen sollen, zwei Schwedinnen pah, nur weil du dir wieder n Korb eingefangen hast, bist du jetzt der Meinung mir auch noch meinen Abend versauen zu müssen. Aber ich bin ja selber Schuld…2 Schwedinnen Pah…du brauchst dich die Tage erst mal nicht bei mir zu melden!“ Er legt auf.
Noomi und ihre Cousine schauen mich etwas irritiert an, und es wundert mich wenig, da doch mein Gesicht wahrscheinlich wie jedesmal den Gesprächsverlauf wiedergegeben hat, als hätte jemand daneben gestanden und es in Gebärdensprache übersetzt.

„Alles gut?“ fragt Noomi und als ich entgegne Fabian würde nicht mehr kommen beschleicht mich das Gefühl für einen kurzen Moment ein diebisches Grinsen auf ihrem Gesicht erkannt zu haben.

„Lass uns schwimmen gehen, es ist so ein perfekter Sommerabend.“ Sie lächelte mich an und ich war zusehends paralysiert. Passierte das alles wirklich? Und während ich noch meinen verwirrten Gedanken nachhing sah ich nur wie Noomi und ihre Cousine schon lachend die Böschung zum Wasser hinab liefen und sich dabei in vollem Lauf so elegant ihrer Kleidung entledigten, dass ich meinen Blick nicht von diesem Schauspiel lösen konnte. Als sie schließlich ins Wasser sprangen, lachten und nach mir riefen erwachte endlich auch ich aus meinem Traum, der offensichtlich keiner war, sprang auf und rannte ebenfalls zum Wasser, nur vergaß ich vor lauter Aufregung mich auszuziehen und klatschte so mit all meine Sachen ins Wasser, das sich immer noch angenehm warm anfühlte.

Sie lächelte mich an.

Und während ich damit beschäftigt war, mich in ihren wunderschönen Augen zu verlieren, wurde ihr Lächeln breiter, sie legte ihre Arme um meinen Hals, sprang in meine Arme und küsste mich während ich dabei das Gleichgewicht verlor und wir so zusammen in die Fluten stürzten. Ich glaube diese 3 Sekunden bis sich unsere Lippen lösten gehören zu den unglaublichsten Momenten meines Lebens.

Als wir uns wieder aufrichten steht Meja vor mir, sie war am Strand gewesen und hält nun eine Flasche Rum in der einen und einen rauchenden Joint in der anderen Hand. Sie nimmt einen tiefen Zug, küsst mich und füllt meine Lungen mit Rauch.

Sonnenlicht kitzelt meine Lider und ich spüre eine zärtliche Zunge an meinem Ohr, langsam setzten sich die Splitter der letzten Nacht zu einem Mosaik zusammen, welches allerdings dringend restauriert werden müsste. Ein Lächeln umspielt mein Gesicht, doch ich öffne meine Augen nicht. Ich will die Bilder festhalten. Und den ganzen Abend noch einmal durchleben, bis auf das Kotzen vielleicht.

Die Zunge ist mittlerweile an meine Stirn gewandert und liefert ein Argument gegen Zungenküsse am Morgen nach einer versoffenen Nacht, dennoch öffne ich meine Augen voller Zärtlichkeit und blicke in die treuherzigen Augen eines 100 Pfund schweren Rottweilers. Ich weiche erschrocken zurück und höre wie die Stimme eines pöbelnden Rentners durch die Schleier zu mir durchdringen. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich nackt bin und aus einer warmen Sommernacht ein kalter Morgen geworden ist. Die Kopfschmerzen setzten ein und mit ihnen die so altbekannte Frage warum ich mir und meinem Körper dieses Gefühl am Morgen angetan habe.

Ich lasse den Abend Revue passieren und zum ersten mal nach all den Jahren weiß ich warum.

Ich lächle, stehe auf, bedecke meine Scham und gehe nach Hause.

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Spurensuche

Ich zeichne auf den Wegen eine dünne Spur aus Sand,
das Zeugnis meines Lebens ein Rinnsal aus der Hand,
Das Bild eines Charakters und der Steine die er sah,
ich lief Meile um Meile ohne zu wissen wo ich war,
Die Worte die mich prägten, die Menschen die ich traf,
Das Glashaus wo ich wohnte, die Steine die ich warf,
das was ich halten wollte und das was ich behielt,
aus vielen kleinen Steinen wird irgendwann ein Mosaik.

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Die Zoohandlung

Ben war nicht zum ersten Mal in seinem Leben in einer Zoohandlung. Früher war er öfter hier gewesen, nie ganz aus freien Stücken, aber es gibt Menschen, von denen wohl manche zu seinem erweiterten Freundeskreis zu zählen sind, die halten das Schlendern durch eine Zoohandlung für eine legitimierte und unterhaltsame Tätigkeit um Zeit totzuschlagen.

[H]eute war er zum ersten mal mit einer ernsthaften Kaufabsicht in die Zoohandlung gekommen und studierte daher aufmerksam das Sortiment. Die Schildkröten hatten es ihm angetan und es gab hier sehr viele von ihnen kleine, große, zu Lande und zu Wasser doch sie sprengten sein Budget und waren auch so gänzlich ungeeignet für den betreffenden Zweck.

Was Ben suchte war ein Geschenk, ein Kombigeschenk, und dieses Geschenk war mit Anforderungen verbunden, die nicht von jedem Tier so ohne weiteres zu erfüllen waren. Die primäre Aufgabe sollte sein das seine Freundin sich darüber freuen können sollte, da es ihr Geburtstagsgeschenk werden sollte. Doch wäre dies die einzige Anforderung gewesen so hätte er sich dafür nicht schon seit einer geschlagenen Stunde in diesem nach Fischfutter und Streu riechendem Etablissement aufgehalten. Natürlich sollte das Ganze nicht zu teuer sein, er war schließlich lediglich Student, aber erstens liegt in Liebesdingen die finanzielle Schmerzgrenze von Natur aus etwas höher und Zweitens würde es für eine lange Zeit oder vielleicht sogar für immer das Letzte sein was er ihr schenken würde.

Aber genau hier lag das Problem er wollte ihr nicht nur ein formidables Geburtstagsgeschenk machen, sondern ihr eben auch etwas schenken was ihr über die bald darauf folgende Trennung hinweghelfen sollte. Daher hatte er sich für ein Tier entschieden. Es sollte eher klein als groß sein, da auch sie keine Villa bewohnte und es müsste niedlich sein. Man sollte damit reden können, so das man sich einbilden kann es würde zuhören und es dürfte nicht zu viel Arbeit verursachen. Die Lebenszeit sollte nicht mehr als drei Monate betragen, da es sie sonst zu lange an ihn erinnern könnte, aber sie dürfte nicht wissen das es schon so bald stirbt.

Er ging zum Mädchen hinter der Theke und lächelte sie an „Ich suche nach einem sehr alten Zwerghamster“; „Einem Roborowski Zwerghamster oder einem Dsungarischen Zwerghamster?“ fragte sie lächelnd zurück. „Welcher stirbt denn schneller?“ Ihr Lächeln erstarb, in routinierter Verkäuferinnen Stimmer fuhr sie fort: „Also ein Roborowski Zwerghamster wird eineinhalb bis drei Jahre alt während ein Dsungarischer Zwerghamster eineinhalb bis zweieinhalb Jahre alt wird“. „Und sie haben ein paar ältere Hamster da?“ fragte er bemüht freundlich nachdem sie die Erwähnung nach dem Haltbarkeitsdatum von Zwerghamstern doch sichtlich in die Opposition gebracht hatte.

Ich hätte einen fast dreijährigen Roborowski den keiner mehr kaufen will weil er schon so alt ist und einen eineinhalbjährigen Dsungarischen“ antwortete sie mit einem süffisanten Lächeln durch das er sich im ersten Moment irgendwie ertappt fühlte.

Ganz der Mann der sich schon wieder fast in der Vorhölle des freien und glücklichen Singledaseins wähnte versuchte er natürlich gönnerhaft die junge Verkäuferin für sich einzunehmen. „Ich nehme den Roborowski, ich möchte ihm noch wenigstens drei gute Monate schenken. Die hat sich der alte Junge doch verdient.“ So erwarb Ben an diesem Tag einen Roborowski Zwerghamster und die Zuneigung einer jungen Frau mit der er sich bald, in zwei Wochen, wenn er sich von seinen selbstgeschmiedeten Fesseln befreit hätte, wiedertreffen wollte.

Das Geschenkt war ein voller Erfolg und seine Freundin baute schon innerhalb der ersten Woche eine intensive Beziehung zu ihrem Zwerghamster auf, doch war sein Herz leider schwächer gewesen als er es sich von diesem tapferen kleinen Roborowski Zwerghamster erhofft hatte. Er verstarb nach zwei Wochen und statt Milchkaffe trinkend mit der jungen Verkäuferin verbrachte er die nächsten Wochen damit seine Freundin seiner Liebe zu versichern und über einen Verlust hinwegzutrösten, der doch sie hätte trösten sollen wenn er seine Zelte längst abgebrochen hätte.

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