Das was möglicherweise wirklich wichtig ist

Sucht man Gesellschaft, sucht es sich zu zweit immer besser als alleine. Oft ist auch der Weg das Ziel. Unzählige Abende die man allein zu zweit verbringt, aneinander vorbei, suchend nach dem einen Menschen. Zwei Piloten ohne Flugzeug machen den Wingman obsolet. Wir treiben auf dem Meer ohne Hafen, aus der Karibik des ersten Kennenlernens, wieder einmal direkt in Stürme vor Kap Horn. Ich bedaure der Seenotrettungsgesellschaft nie gespendet zu haben, während ich ertrinkend meine Hände nach dir ausstrecke.

Wieso sollte ich meine Symptome schildern, wenn doch weit und breit kein Arzt in der Nähe ist. Brauche ich einen Psychiater? Oder braucht vielleicht ein Psychiater ohne Doktorarbeit mich, um ein interessantes Thema für eben diese zu finden?

Wie jeder gute Ertrinkende schlage ich in Panik um mich und stoße dich so immer wieder von mir weg, obwohl ich doch eigentlich wissen sollte das du meine Rettung bist. Ist es verrückt von mir anzunehmen das du immer wieder da sein wirst, oder ist es verrückt das du tatsächlich immer wieder da bist? Ich bin dir fast so dankbar dafür wie ich mich dafür hasse.

Es gibt wenige Menschen die mich so gut kennen, und manchmal glaube ich du kennst mich besser als ich. Denn ich wäre gegangen.

Weiterlesen

Die Bloggeschichte 2012 – Kapitel VII – Hannah Maria

Gletschereis. Es ist eines dieser ekelhaften Gletschereisbonbons, die alle so lieben, außer ich. Mein Opa kramte früher immer eines dieser Dinger aus dem hinteren Teil seines kleinen Schnapsschrankes, wenn sonst keine Süßigkeiten im Haus waren. Man musste die alten Bonbons regelrecht aus der Folie puhlen und hatte man es dann endlich geschafft, schmeckten sie nach muffigem, alten Holzschrank. Die Konsistenz vom jetzigen Bonbon lässt mich erahnen, dass auch dieses schon länger in ihrer Handtasche verweilte. Aber es war von ihr und allein das war Grund genug meinen Würgereflex zu unterdrücken. Ja, ich lutschte ein Bonbon von ihr. Von ihr? Mir fällt erst jetzt auf, dass ich sie gar nicht nach ihrem Namen gefragt habe. Scheiße, wie unhöflich.

Ich versuche meine müden Augen ein letztes Mal zu kontrollieren und meinen Kopf zu heben um sie nach ihrem Namen zu fragen. „Hey, ich Arsch hab noch gar nicht gefragt wie du heißt. Ich bin Felix.“ Sie lächelt, neigt ihren Blick erst nach unten, dann nach oben, streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr und antwortet „Noomi“. Noomi, flüstere ich leise vor mich hin und schieb dabei das Bonbon im Mund von einer Seite auf die andere.

Plötzlich spüre ich einen harten Stoß im Rücken. „He, Flix du Wichser. Ich hab dich überall gesucht. Sag mal, hast du gekotzt?“, es ist Fabian der Penner. Der hat mir gerade noch gefehlt. Er mustert Noomi von oben nach unten, bleibt mit seinen Augen an ihrem Ausschnitt hängen und äußert dabei eines seiner perversen Pfeifgeräusche. Ich stoß ihm mit den Ellbogen kräftig in die Rippen. „Ist ja schon gut, kotzender Romeo. Ich lass euch alleine.“, sagt Fabian, dreht sich um und hüpft schreiend zurück in die Disco.

„Ich glaub ich hab dich hier noch nie gesehen, kann das sein?“, sage ich mit zögernder Stimme um das Gespräch in die Gänge zu bringen. Etwas Besseres ist mir leider nicht eingefallen. Ich Dummkopf. Vielleicht hätte ich mir echt ein paar blöde Sprüche vom Fickmeister Fabian merken sollen. Naja. „Ja, das stimmt. Konntest du aber auch gar nicht. Ich bin erst vor kurzen wieder nach Deutschland gezogen. Die letzen fünf Jahre haben meine Eltern, meine beiden Brüder und ich in Stockholm gewohnt. Meine Mama ist Schwedin.“, antwortet Noomi.

Das erklärt natürlich einiges. Ihre schwedische Abstammung lässt sich nur schwer verleugnen und als sie ihren Namen gesagt hat, habe ich mir schon gedacht, dass er nach hohem Norden klingt. Toll. Eine geheimnisvolle, schöne, Unbekannte aus Stockholm. Sie ist also noch gar nicht vorbelastet und hat dann wohl auch nichts von meinem kleinen Magen und Darmzwischenfall in der Schule mitbekommen. Ich hab es aber auch mit Körperflüssigkeiten. Am besten esse ich einfach gar nichts mehr, dann kann oben schon nichts mehr rauskommen und unten dann irgendwann auch nicht mehr. Meine Gedanken schweifen ab und ich habe nicht bemerkt, dass sich ein weiteres Mädchen zu uns gestellt hat.

„Das ist Meja, meine schwedische Cousine. Sie hat gerade Ferien und wollte sich mein neues zu Hause anschauen. Meja, detta är Felix. „. Ich bringe nur ein kurzes „Hi“ raus. Eigentlich wollte ich doch mit Noomi alleine sein, aber beim Anblick von Meja, hab ich mir gleich gedacht, die wär etwas für Fabian. Meja schaut mich an, grinst und murmelt irgendetwas auf Schwedisch in Noomis Ohr. Toll, hätte ich in der Zehnten doch besser den freiwilligen Schwedischkurs belegt. Das ist jetzt die Strafe. Noomi fängt über Mejas Gemurmel an zu lachen und mir wird dabei ganz warm ums Herz. Wie schwul, aber ich glaube ich habe mich längst in sie verknallt. Das letzte Mal erging es mir so bei Nina und mit ihr war ich drei Jahre lang zusammen. Bis mein damaliger bester Kumpel Thomas sie nach einer Party flachgelegt hat. Der Pisser. Naja. Oder ist es bei Noomi nur der Alkohol? Nein, ich denke nicht.

„Du, wir gehen jetzt. Da drinnen läuft nur komische Musik und es ist auch ziemlich laut.“, sagt Noomi und dieser Satz macht mich jetzt vollkommen nervös und bringt mich ins straucheln. Wäre ich ein wirklich cooler Typ und hätte anständige Eier in der Hose, würde ich sie einfach nach ihrer Nummer fragen, oder sie gleich einfach küssen, aber das kommt wohl ohne Zähne putzen jetzt nicht so gut an. Das Gletschereisbonbon war schon eine ganze Weile aufgelutscht und so eklig ich diese Dinger auch finde, sehne ich mich nach einem weiteren um nur ansatzweise einen frischen Atem zu haben.

„Ähm, also wenn es euch nur zu laut ist, hier in der Nähe gibt es einen See. Da kann man es sich recht gut gemütlich machen. Wir gehen da oft hin, wenn es uns hier zu blöd wird. Vielleicht habt ihr ja Lust auf einen kleinen Umweg. Ich kann Fabian auch noch schnell Bescheid sagen.“

Noomi übersetzt mein Geschwafel und irgendwie find ich Schwedisch auf ein Mal ziemlich sexy. „Ok, aber nicht lang.“, willigt Noomi ein und ich greife sofort zu meinem Handy um Fabian eine Notfallsms zu schreiben. „Fabs, zwei heiße Schwedinnen wollen mit uns zum See! Beeil dich und zieh noch ne Packung Kaugummis. Gehen schon vor.“

Weiterlesen

The only thing I want

Die Koffer standen bereits seit zwei Wochen in seinem Flur. Ungefähr. Wann er sie gepackt hatte war jedoch eine ganz andere Frage. Eine die selbst er nicht mehr beantworten konnte. Immerhin taugten sie als Staubfänger bzw. standen sie mittlerweile so im Eingangsbereich drapiert, dass man denken konnte sie wären moderne Kunst. Der heutige Tag sollte das ändern. Zum ersten Mal war er wirklich bereit. Die Entscheidung war während seines Guten-Morgen-Kaffees gefallen. Heute würde er die Stadt, das Land, ja sogar den Kontinent verlassen.

Wie lange er gehen würde wusste er selbst noch nicht. Wohin war auch noch nicht sicher. Aber der Entschluss zu gehen, war es zum ersten Mal. Das Ticket war bereits gebucht. Ohne Rücktrittsversicherung. Jetzt wo er im Flur stand und sich seine Mütze über den Kopf zog wusste er dass das was er vorhat richtig war. Rational war es total schwachsinnig. Allerdings ist rationales Denken nicht immer die rationalste Entscheidung.

Während er so im Flur stand, mit beiden Koffern in den Händen und seiner Wollmütze auf dem Kopf, blickte er noch einmal über den Flur hinweg in seine Wohnung. Irgendwie hatte er das Gefühl in sein altes Leben zu blicken. Verrückt. Sein altes Leben. Wie sich das anhörte. Glauben wollte er es noch nicht so recht. Er ließ sein Leben ja nicht zurück. Er wollte ja wieder kommen. Er wusste nur nicht wann. Konnte aber auch nicht sagen wann, da er vermutlich eh etwas länger bleiben würde als geplant. Mit einem letzten langem Ausatmen drehte er sich auf dem Absatz um und ging durch die Haustür nach draußen.

Nachdem er lange in der offenen Tür gestanden hatte ohne irgendetwas zu denken, schloss er die Haustür und machte sich auf den Weg zu seinen Nachbarn. Sie würden in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten vermutlich auf die Wohnung aufpassen. Sicher war das nicht. Jetzt gab es nur noch eine Sache für ihn zu erledigen. Sobald er sich in den Zug zum Bahnhof gesetzt hatte begann er sich einen alten Songtext ins Gedächtnis zu rufen.

i might be gone a little while
i guess we’ll see
i gotta make a home outta somewhere
and it’ll take a flight to figure out
where i’m gonna finally land
but i should probably say that i’m unsure why i’m running
running away from the only thing i want
yeah, i should probably say that i’m unsure why i’m running
running away from the one i love

Diesen schrieb er auf einen einfachen Zettel und sendete ihn noch vom Flughafen ab. Zieladresse: Seine eigene Wohnung in der seine Freundin noch geschlafen hatte, als er sie verlasen hatte.

Weiterlesen