Der Spiegel

Der Blick führt in die Tiefe der Ungewissheit. Schmale nichts sagende Kanten verzieren eine fremde Landschaft. Eine Landschaft aus dichten Gräsern und steinigen Gebirgen. Ein erhellender Strahl aus Licht verirrt sich nur selten in jene Gebiete, welche von tiefer Trostlosigkeit bedeckt sind. Der schimmernde Glanz der Seen ist vollkommen erloschen. Ausgestorben und leer wird kein Ebenbild reflektiert. Es scheint, als würde Dunkelheit das ewige Leben zu Stein gemeißelt haben. Selbst ein Wimpernschlag besitzt weder die Kraft noch die Stärke, jenes schwarze Bild zu erhellen.

Wer bin ich? Ich bekomme keine Antwort. Tiefe Spalten lassen die Erde entreißen. Dichter Rauch legt sich über die Bergspitzen. Feurige Lava durchfließt den Erdkern und lässt den Boden erbeben. Die Flüsse werden unruhig, das Wasser steigt bedrohlich. Ein Sturm kommt auf – Lässt dichte Wälder entwurzeln und Fenster zu Glassplitter zerbersten. Die Gewalt der Natur hinterlässt ihre Spuren. Blutgetränkt liegen die Scherben am Grund. Eine gewaltige Zerstörung wohin das Auge nur blicken kann. Was mache ich hier? Noch immer bekomme ich keine Antwort.

Einzig und allein das helle Mondlicht zeichnet den Umriss der Landschaft. Die brennende Lava ist in den weiten Tiefen der Erde verschwunden. Der schwere Rauch zieht über die kantigen Berge, die Glut formt sich zu grauer Asche. Bitte hilf mir. Ich warte auf eine Antwort. Sekunden verstreichen. Minuten verstreichen. Es wird still. Tiefe Dunkelheit umgibt die Landschaft. Die Kraft des Windes schwindet dahin. Der Strom der Flüsse gibt nach und kommt letztlich zum Stillstand. Der Schleier der Finsternis fällt. Möge ich in Frieden ruhen.

Weiterlesen

Bloggeschichte 12 – Kapitel IX – Jörg

„Junge Mann, wo biste Alter?“ ranzt mich ein sichtlich angepisster Fabian vom Ende der anderen Leitung an. „Na am See, ich hab dir doch die SMS geschrieben.“ „Ja den See an dem du bist den würd ich gerne sehen, schön verarscht haste ich. Da renn ich wegen dir aus der Disco und lass die Olle stehen, du glaubst doch nicht das die mich so wie ich aussehe da wieder reinlassen, und jetzt steh ich hier in der Butnik. Ich hätte es gleich wissen sollen, zwei Schwedinnen pah, nur weil du dir wieder n Korb eingefangen hast, bist du jetzt der Meinung mir auch noch meinen Abend versauen zu müssen. Aber ich bin ja selber Schuld…2 Schwedinnen Pah…du brauchst dich die Tage erst mal nicht bei mir zu melden!“ Er legt auf.
Noomi und ihre Cousine schauen mich etwas irritiert an, und es wundert mich wenig, da doch mein Gesicht wahrscheinlich wie jedesmal den Gesprächsverlauf wiedergegeben hat, als hätte jemand daneben gestanden und es in Gebärdensprache übersetzt.

„Alles gut?“ fragt Noomi und als ich entgegne Fabian würde nicht mehr kommen beschleicht mich das Gefühl für einen kurzen Moment ein diebisches Grinsen auf ihrem Gesicht erkannt zu haben.

„Lass uns schwimmen gehen, es ist so ein perfekter Sommerabend.“ Sie lächelte mich an und ich war zusehends paralysiert. Passierte das alles wirklich? Und während ich noch meinen verwirrten Gedanken nachhing sah ich nur wie Noomi und ihre Cousine schon lachend die Böschung zum Wasser hinab liefen und sich dabei in vollem Lauf so elegant ihrer Kleidung entledigten, dass ich meinen Blick nicht von diesem Schauspiel lösen konnte. Als sie schließlich ins Wasser sprangen, lachten und nach mir riefen erwachte endlich auch ich aus meinem Traum, der offensichtlich keiner war, sprang auf und rannte ebenfalls zum Wasser, nur vergaß ich vor lauter Aufregung mich auszuziehen und klatschte so mit all meine Sachen ins Wasser, das sich immer noch angenehm warm anfühlte.

Sie lächelte mich an.

Und während ich damit beschäftigt war, mich in ihren wunderschönen Augen zu verlieren, wurde ihr Lächeln breiter, sie legte ihre Arme um meinen Hals, sprang in meine Arme und küsste mich während ich dabei das Gleichgewicht verlor und wir so zusammen in die Fluten stürzten. Ich glaube diese 3 Sekunden bis sich unsere Lippen lösten gehören zu den unglaublichsten Momenten meines Lebens.

Als wir uns wieder aufrichten steht Meja vor mir, sie war am Strand gewesen und hält nun eine Flasche Rum in der einen und einen rauchenden Joint in der anderen Hand. Sie nimmt einen tiefen Zug, küsst mich und füllt meine Lungen mit Rauch.

Sonnenlicht kitzelt meine Lider und ich spüre eine zärtliche Zunge an meinem Ohr, langsam setzten sich die Splitter der letzten Nacht zu einem Mosaik zusammen, welches allerdings dringend restauriert werden müsste. Ein Lächeln umspielt mein Gesicht, doch ich öffne meine Augen nicht. Ich will die Bilder festhalten. Und den ganzen Abend noch einmal durchleben, bis auf das Kotzen vielleicht.

Die Zunge ist mittlerweile an meine Stirn gewandert und liefert ein Argument gegen Zungenküsse am Morgen nach einer versoffenen Nacht, dennoch öffne ich meine Augen voller Zärtlichkeit und blicke in die treuherzigen Augen eines 100 Pfund schweren Rottweilers. Ich weiche erschrocken zurück und höre wie die Stimme eines pöbelnden Rentners durch die Schleier zu mir durchdringen. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich nackt bin und aus einer warmen Sommernacht ein kalter Morgen geworden ist. Die Kopfschmerzen setzten ein und mit ihnen die so altbekannte Frage warum ich mir und meinem Körper dieses Gefühl am Morgen angetan habe.

Ich lasse den Abend Revue passieren und zum ersten mal nach all den Jahren weiß ich warum.

Ich lächle, stehe auf, bedecke meine Scham und gehe nach Hause.

Weiterlesen