[Interview] Torsun: Raven wegen Deutschland – Hörbuch

Egotronic-Mastermind Torsun hat ein Buch geschrieben. Raven wegen Deutschland heißt das gute Stück und handelt von der Produktion des wegweisenden Albums Lustprinzip und dem was davon abgelenkt hat. Am 23. Oktober erscheint auf unser aller Lieblings-Label Audiolith, vier Jahre nach Release, die Hörbuchfassung. Aus diesem Grund haben wir Torsun mal ein bisschen ausgefragt.

 

Hey Torsun, schön dass du dir etwas Zeit für uns nimmst! Zuallererst, wie geht’s dir? Wie liefen die ersten Konzerte der Tour?

Die ersten beiden Shows der Tour waren super. So darf es den Rest der Reise gerne weitergehen.

Nun also ein Hörbuch!? Wie kam es dazu, vier Jahre nach Release der Printausgabe dieses Medium auf den Markt zu schmeißen?

Bock darauf hatte ich eigentlich von Anfang an, alleine es fehlte an Zeit. Im Sommer 2014 fand ich die endlich und nochmal über ein Jahr später ist es jetzt endlich soweit.

Gibt es irgendwelche Unterschiede zwischen Hörbuch- und Printfassung oder warst du auch nach vier Jahren immer noch zufrieden mit deinem Werk?

Auf dem Hörbuch ist nur mein Teil des Buchs zu hören. Der „Sachbuchteil“ der gedruckten Fassung wurde ausgespart. So funktioniert es mehr wie eine Geschichte, die man schön hören kann.

Vor einem Mikro im Studio kennst du dich ja nach all den Jahren ganz gut aus, aber wie war es diesmal vorzulesen, anstatt Musik für eine Platte zu machen?

Ich war überrascht, wie sehr man sich doch dabei konzentrieren muss. Das ganze hat dadurch länger gedauert, als ich vorher gedacht hätte.

Du hast ja sicherlich schon viel erlebt mit der Band und allem Drum und Dran. Warum hast du dich gerade für diesen kurzen Zeitraum entschieden, als es darum ging ein Buch zu schreiben? Wie kamen die ganzen Exzesse eigentlich zu Papier? Hast du direkt ein paar Sachen aufgeschrieben, so tagebuchmäßig oder warst du von dieser Phase einfach so geflasht, dass du alles noch auf dem Schirm hattest?

Diese Phase ergab einfach eine runde Geschichte mit happy End. Außerdem stand am Ende des Zeitraums ein massiver Bruch in meinem Leben. Ich hatte plötzlich einen Job. Hahaha

Jetzt mal Butter bei die Fische; Hast du mal hier mal da etwas im Sinne der literarischen Freiheit übertrieben oder wart ihr wirklich so krass drauf?

Das ist alles wahr, aber mal im ernst: In dieser Stadt leben 1000de die ähnliche Erfahrungen gemacht haben dürften. Von daher find ich das gar nicht so krass jetzt.

Die Handlung des (Hör-)buchs spielt 2007. Zu dieser Zeit hast du dich ziemlich auf Minimal Techno abgefeiert. Der Sound von Egotronic hat sich über die Jahre stark gewandelt. Dein Feier-Musikgeschmack ebenfalls?

Ja. Mittlerweile gehe ich lieber auf ein schönes Konzert, als ständig von Techno-Club zu Techno-Club zu tingeln.

Im Hörbuch gibst du zu, dass du während dieser Lebensphase ausnahmsweise nicht so viel mit Politik am Hut hattest. Das hat sich schnell wieder geändert. Wer, wenn nicht du kann uns daher helfen bei der Frage: Was machen wir mit den ganzen „Besorgten“, Rassisten und anderen Spinnern, die sich an jeder Ecke versammeln und ihren Mist verzapfen?

Man wird diesen Spinnern über kurz oder lang nur mit massiver Repression, sprich Gewalt, beikommen können. Die Leute müssen Angst vor den Konsequenzen haben, die ihr Handeln mit sich bringt. Wenn man sich die Geschichte anguckt, waren Nazis nie anders als mit Gewalt zu stoppen, sei es nun Nazideutschland oder der NSU.

Kannst du ein bisschen von deiner neuen Kampagne „Plus 1 – Refugees Welcome“ erzählen?

Das ist nicht meine Kampagne, sondern wir sind eine ganze Menge Leute, die das Ding ins Leben gerufen haben. Das Konzept funktioniert so, dass wir viele Clubs in Berlin dafür gewinnen konnten, dass ab jetzt jeder Besucher der auf der Gästeliste steht, mindestens ein Euro abdrücken muss. Wir sammeln das Geld dann ein und verteilen es an Projekte, die Flüchtlinge unterstützen, als da wären derzeit: Moabit Hilft, Flüchtlingsrat Berlin und Sea Watch.

Zum Abschluss noch eine Frage, die sicher viele Fans interessiert. Was passiert in der angekündigten Konzertpause? Lesereise? Neue Platte? Andere Projekte? Und, kann man in Zukunft wieder mit einer so krassen Soundwandlung wie beim letzten Album rechnen?

Ich schreibe an einem Roman und mache derzeit soviel Musik wie schon lange nicht mehr. Es wird also irgendwann ein neues Album geben. Wann das kommt, kann ich aber noch nicht sagen. Es steht lediglich fest, dass 2016 kein großes Egotronic-Jahr wird, zumal es seit 2003 nur ein einziges Jahr gab, in dem ich keine Tour spielte. Es wird deshalb mal wieder Zeit.

Vielen Dank für das Interview! Kannst du uns als letztes noch sagen, was bei dir privat derzeit auf den Plattentellern läuft? Mach’s gut und auf bald!

Zwar nicht auf dem Plattenteller aber die meiner Meinung nach besten Songs der letzten Woche waren „Gute Menschen“ von OK Kid und „Fick-Dich-Allee“ von Grossstadtgeflüster.

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[Review] Egotronic – Die Natur ist dein Feind

Titel : Die Natur ist dein Feind
Künstler : Egotronic
Label : Audiolith Records
Genre : Punk/Electro
Bewertung : ★ ★ ★ ★ ★ ★ ★ ☆ ☆ ☆ | 07/10

Die Natur ist dein Feind

Durch das fleißige Rühren der Werbetrommel von Band und Label, inklusive Dementi-Kampagne und Story zum Cover wuchs die Vorfreude nicht nur bei den Herrscherfamilien Castro und Kim stetig an (unglaublich authentische Fotos auf Facebook haben das bewiesen). Doch nun ist es endlich soweit und mit „Die Natur ist dein Feind“ erscheint das mittlerweile sechste Album der Band um Elektropunk-Urgestein Torsun Burkhardt. Die personellen Veränderungen durch den Ausstieg von Tili und Endi wurden durch Reuschi, Chrü und Kilian ausgezeichnet kompensiert, die auch für den neuen Sound der Band stehen, der sich in Richtung der klassischen Punkband mit Gitarre und echtem Schlagzeug entwickelt. Wer auf Elektrobretter à la Lustprinzip hofft wird bei diesem Album enttäuscht werden. Doch wer die Entwicklung der Band in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß dass Egotronic noch einiges mehr drauf haben. Die lieben Leute von Audiolith gaben uns die Möglichkeit schon mal in das Album reinzuhören, damit wir euch berichten können, was Torsun zusammen mit seinem langjährigen Wegbegleiter Kilian zusammen gebastelt hat.

Das Album

Zuallererst der Titel, harter Tobak! In Zeiten von Atomausstieg und Bio-Wahn soll gerade die Natur unser Feind sein? Warum beschützen wir die Drecksau denn dann wo es geht!? Spaß beiseite; Torsun hat den Titel in zahlreichen Interviews zunächst mit dem Hinweis auf seine Krankheit erklärt. Seit geraumer Zeit leidet er an einer rheumatischen Erkrankung, die es ihm teilweise nicht einmal ermöglichte sich normal zu bewegen, ohne Medikamente zu nehmen. Dies zeigt, dass die Natur auch den härtesten Raver schaffen kann. Andererseits bezieht er sich auf Naturkatastrophen, von denen sich der Mensch kaum erholen kann, auch wenn die Natur anschließend weiter ihren normalen Weg geht. Zu diesen Erklärungsansätzen kann man stehen wie man möchte, sie bilden jedoch die düstere Grundlage für das Album. Insgesamt ist dieser sechste Longplayer der Band der negativste und wütendste. Es werden jedoch auch Gefühle, wie Melancholie und Liebe angesprochen. Die Partystimmung, die frühere Werke schaffen, stellt sich zu keiner Zeit ein. Das soll sie auch gar nicht, denn bei den gesellschaftlichen Missständen und persönlichen Ängsten die thematisiert werden vergeht die Lust zu feiern ganz fix.

Musikalisch wendet sich das Album vom Elektropunk ab und bewegt sich eher in indie- und punklastigen Sphären. Böse Zungen könnten behaupten die Musik sei poppiger geworden, doch Torsun belehrt uns eines Besseren, weil Pop stinkt! Eine Steigerung durchzieht das Album, auch wenn die Qualität durchgehend hoch ist, scheinen die Songs jedoch zum Ende hin intensiver zu werden und der Elektroanteil nimmt stetig zu.

Die Lieder

Die Natur bildet den Anfang mit dem Titeltrack und begegnet uns auch zum Abschluss in dem Cover der Punkband Dackelblut; „Edwin van der Sar“ wieder, in dem in bekannter antideutscher Manier gefordert wird:

Eine Naturkatastrophe nur für Deutschland
Alles sollte hier mal endlich explodieren
Warum haben wir keinen Vulkan der kotzen muss wie ich?
Warum wird das alles blöder hier?
Eine Naturkatastrophe wie die Mauer oder so, oder 0:8 gegen Holland

Auch die Rechtsrocker von Frei.Wild bekommen im bereits vorab auf Youtube veröffentlichten „Band der Vollidioten“, unterstützt durch einen Chor bestehend aus den Toten Crackhuren im Kofferraum ihr Fett weg. Für diese Songs, die das Album abschließen, kennt und liebt man Egotronic, doch nun noch einmal zu den etwas ungewöhnlicheren Klängen auf diesem Album. In düsterer und wütender Stimmung setzt sich Torsun mit den Themen Flüchtlingspolitik („Ich will nicht rein“), Exklusion Andersdenkender („Nicht dazu gehör’n“) und genereller Unsicherheit in persönlicher und gesellschaftlicher Hinsicht auseinander. Doch auch aufbauende Worte blitzen zwischendurch auf:

„Ich sage dir: „Ich liebe dich.“ Das weißt du wohl. In dieser Nacht voll Unvernunft, bist du mein ruhiger Pol“
Song: Nocht nicht vorbei

Die Songs „Oh Oh“ und „Pop Stinkt“ zeigen, dass gute Lieder keine ausgefallenen Titel brauchen. Das dies jedoch nicht schadet, beweist der wunderbare Song „Neurosen im Garten“:

„Ich bin nicht stark, die Gedanken nicht rein, doch bist du da fühl‘ ich mich nicht mehr allein und komme klar mit den Neurosen im Garten. Ich pflück‘ dir eine und wir lachen nur.“

Der Sound

Wie bereits erwähnt ist der Sound sehr viel stärker von der klassischen Punkbesetzung geprägt, als es bei früheren Werken der Fall war. Die Abkehr vom basslastigen und C64-geprägten Sound passt jedoch sehr gut zu den düsteren und wütenden Texten, die auf dem neuen Album vorherrschen.

Fazit

Keine Liebe auf den ersten Blick, aber bei mehrmaligem Hören entdeckt man, wie facettenreich und eingängig das Album tatsächlich ist. Egotronic schaffen es mal wieder gesellschaftliche Missstände auch für Menschen außerhalb der Schrammel-Punk-Gemeinde musikalisch aufzubereiten. Wer Torsun und seine Kollegen bereits das ein oder andere Mal live bestaunen durfte, wird auch nach diesem Album schnellstmöglich zur Vorverkaufsstelle seines oder ihres Vertrauens laufen und sich ein Ticket für anstehende Shows sichern.
„Die Natur ist dein Feind“ zeigt eindrucksvoll Gründe auf fürs gemeinsame Raven wegen und gegen Deutschland!

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