That old song – Eine Disconacht

Hinter ihm liegt die Hitze. Vor ihm die Kälte. Der einzige Schutz bis zu diesem Zeitpunkt war eine schwere Eisentür in deren Rahmen er nun stand. Bevor er sich nach Alaska traute, zog er seinen Schal fester und richtete seine Mütze. Mit dem Zuschlagen der Tür stellte er auch den Kragen seines Mantel hoch. Es mussten mittlerweile Minusgrade sein. Seine Schritte sind ungelenk. Tappsig. Es war mal wieder ein Bier zuviel gewesen. Alle anderen hatten schon lange den Weg nach Hause oder in irgendein Bett angetreten. Nur er war mal wieder auf der Tanzfläche versackt. Neben der Frau seiner Träume. Zumindest für diesen Abend. Der Nebel seines Atems war so undurchsichtig wie der Nebel durch den er sie zum ersten mal gesehen hatte. Sie hatte mit drei Freundin zusammen getanzt. Nur zwei Meter neben ihm.

Weiterlesen

Die Bloggeschichte 2012 – Kapitel VII – Hannah Maria

Gletschereis. Es ist eines dieser ekelhaften Gletschereisbonbons, die alle so lieben, außer ich. Mein Opa kramte früher immer eines dieser Dinger aus dem hinteren Teil seines kleinen Schnapsschrankes, wenn sonst keine Süßigkeiten im Haus waren. Man musste die alten Bonbons regelrecht aus der Folie puhlen und hatte man es dann endlich geschafft, schmeckten sie nach muffigem, alten Holzschrank. Die Konsistenz vom jetzigen Bonbon lässt mich erahnen, dass auch dieses schon länger in ihrer Handtasche verweilte. Aber es war von ihr und allein das war Grund genug meinen Würgereflex zu unterdrücken. Ja, ich lutschte ein Bonbon von ihr. Von ihr? Mir fällt erst jetzt auf, dass ich sie gar nicht nach ihrem Namen gefragt habe. Scheiße, wie unhöflich.

Ich versuche meine müden Augen ein letztes Mal zu kontrollieren und meinen Kopf zu heben um sie nach ihrem Namen zu fragen. „Hey, ich Arsch hab noch gar nicht gefragt wie du heißt. Ich bin Felix.“ Sie lächelt, neigt ihren Blick erst nach unten, dann nach oben, streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr und antwortet „Noomi“. Noomi, flüstere ich leise vor mich hin und schieb dabei das Bonbon im Mund von einer Seite auf die andere.

Plötzlich spüre ich einen harten Stoß im Rücken. „He, Flix du Wichser. Ich hab dich überall gesucht. Sag mal, hast du gekotzt?“, es ist Fabian der Penner. Der hat mir gerade noch gefehlt. Er mustert Noomi von oben nach unten, bleibt mit seinen Augen an ihrem Ausschnitt hängen und äußert dabei eines seiner perversen Pfeifgeräusche. Ich stoß ihm mit den Ellbogen kräftig in die Rippen. „Ist ja schon gut, kotzender Romeo. Ich lass euch alleine.“, sagt Fabian, dreht sich um und hüpft schreiend zurück in die Disco.

„Ich glaub ich hab dich hier noch nie gesehen, kann das sein?“, sage ich mit zögernder Stimme um das Gespräch in die Gänge zu bringen. Etwas Besseres ist mir leider nicht eingefallen. Ich Dummkopf. Vielleicht hätte ich mir echt ein paar blöde Sprüche vom Fickmeister Fabian merken sollen. Naja. „Ja, das stimmt. Konntest du aber auch gar nicht. Ich bin erst vor kurzen wieder nach Deutschland gezogen. Die letzen fünf Jahre haben meine Eltern, meine beiden Brüder und ich in Stockholm gewohnt. Meine Mama ist Schwedin.“, antwortet Noomi.

Das erklärt natürlich einiges. Ihre schwedische Abstammung lässt sich nur schwer verleugnen und als sie ihren Namen gesagt hat, habe ich mir schon gedacht, dass er nach hohem Norden klingt. Toll. Eine geheimnisvolle, schöne, Unbekannte aus Stockholm. Sie ist also noch gar nicht vorbelastet und hat dann wohl auch nichts von meinem kleinen Magen und Darmzwischenfall in der Schule mitbekommen. Ich hab es aber auch mit Körperflüssigkeiten. Am besten esse ich einfach gar nichts mehr, dann kann oben schon nichts mehr rauskommen und unten dann irgendwann auch nicht mehr. Meine Gedanken schweifen ab und ich habe nicht bemerkt, dass sich ein weiteres Mädchen zu uns gestellt hat.

„Das ist Meja, meine schwedische Cousine. Sie hat gerade Ferien und wollte sich mein neues zu Hause anschauen. Meja, detta är Felix. „. Ich bringe nur ein kurzes „Hi“ raus. Eigentlich wollte ich doch mit Noomi alleine sein, aber beim Anblick von Meja, hab ich mir gleich gedacht, die wär etwas für Fabian. Meja schaut mich an, grinst und murmelt irgendetwas auf Schwedisch in Noomis Ohr. Toll, hätte ich in der Zehnten doch besser den freiwilligen Schwedischkurs belegt. Das ist jetzt die Strafe. Noomi fängt über Mejas Gemurmel an zu lachen und mir wird dabei ganz warm ums Herz. Wie schwul, aber ich glaube ich habe mich längst in sie verknallt. Das letzte Mal erging es mir so bei Nina und mit ihr war ich drei Jahre lang zusammen. Bis mein damaliger bester Kumpel Thomas sie nach einer Party flachgelegt hat. Der Pisser. Naja. Oder ist es bei Noomi nur der Alkohol? Nein, ich denke nicht.

„Du, wir gehen jetzt. Da drinnen läuft nur komische Musik und es ist auch ziemlich laut.“, sagt Noomi und dieser Satz macht mich jetzt vollkommen nervös und bringt mich ins straucheln. Wäre ich ein wirklich cooler Typ und hätte anständige Eier in der Hose, würde ich sie einfach nach ihrer Nummer fragen, oder sie gleich einfach küssen, aber das kommt wohl ohne Zähne putzen jetzt nicht so gut an. Das Gletschereisbonbon war schon eine ganze Weile aufgelutscht und so eklig ich diese Dinger auch finde, sehne ich mich nach einem weiteren um nur ansatzweise einen frischen Atem zu haben.

„Ähm, also wenn es euch nur zu laut ist, hier in der Nähe gibt es einen See. Da kann man es sich recht gut gemütlich machen. Wir gehen da oft hin, wenn es uns hier zu blöd wird. Vielleicht habt ihr ja Lust auf einen kleinen Umweg. Ich kann Fabian auch noch schnell Bescheid sagen.“

Noomi übersetzt mein Geschwafel und irgendwie find ich Schwedisch auf ein Mal ziemlich sexy. „Ok, aber nicht lang.“, willigt Noomi ein und ich greife sofort zu meinem Handy um Fabian eine Notfallsms zu schreiben. „Fabs, zwei heiße Schwedinnen wollen mit uns zum See! Beeil dich und zieh noch ne Packung Kaugummis. Gehen schon vor.“

Weiterlesen

Die Bloggeschichte 2012 – Kapitel IV – Marian

Wopwopwop. Die Menge schreit, die Stimmung ist kurz vor dem Zenit. Der DJ legt David Guetta auf. Oder so was ähnliches, es hört sich doch eh alles gleich an heutzutage. Richtiger Techno ist nicht mehr. Hier schon gar nicht, in dieser Großraumdisko. Überteuerter Eintritt, Zahlkarten zum abstreichen. Weshalb kam ich überhaupt mit? Ach ja…Fabian. Er auf seiner ewigen Jagt nach dem schnellen, leichten Fick mit 17-jährigen Schulmädchen.

Ich kämpfe mich weiter durch die Menge, weiter zu ihr, weiter gegen die unaufhaltsame Meute der Feierwütigen, stets sie im Blick. Der stetige Gedanke, sie aus diesem Höllenmoloch zu retten, mit ihr weiter durch die Nacht zu fliegen, an andere Orte. Orte, die uns beide Glücklich machen, Orte, die es wert sind, dass man sie besucht.

„I’ve had the time of my life…“ Wummswummsschredderschredder. Sie lässt ihre Augen rollen, ihre wunderschönen. Ihr Blick wandert durch die Menge, genervt, doch wunderbar. Ihr Erdbeermund lässt ein leichtes „Orrr…“ erahnen. Die nächste der dünnen Zigaretten wird entflammt, der Rauch inhaliert. Genussvoll. Mein drumherum, alles ist vergessen.

„EY, was läufst du in meinen Weg, du SPASTI?“, schreit es mir ins Ohr. Ein Hüne steht vor mir. Sein Gesicht vom Speedrausch verzogen, die Mundwinkel zucken, die Augen leer, ausdruckslos. Zeug hängt ihm noch über der Lippe. Er schielt mich an, nimmt mich nicht wahr. Hat direkt vergessen, dass ich in anrempelte. Dreht seinen Kopf, zuckt mit den Kiefermuskeln, zuckt mit dem Takt. Tanzt. Oder versucht es. Versinkt in seiner eigenen, von Drogen kreierten Zauberwelt.

Weiter, ich muss weiter. Weg von dem Speedberg, zu ihr. Doch dieser Moment, dieser eine, kleine, beschissene Moment der Ablenkung und sie ist weg. Aus meinem Blickfeld verschwunden. Ein Hauch von Panik keimt in mir auf, wie eine zärtliche Knospe. Wie eine Knospe im Frühling wird die Panik größer, als ich, jetzt schnellen Schrittes und beinahe ungestüm, durch die wobende Masse der Druffies, Tänzer und kleiner Schulmädchen wate, als bestünden sie aus sumpfigem Morast. Meine Augen schnellen von rechts nach links, von oben nach unten, diagonal, kreuz und quer. Es kann nicht sein. Ich kann sie nicht verloren haben, nicht jetzt, nicht nachdem ich beschlossen habe, sie zu retten. Uns zu retten. Das der Flug durch die Nacht nicht als einzelner Absturz sondern als gemeinsame Landung endet.

Der Ausgang. Dort war sie zuletzt. Hin, umgucken, suchen. Und verdammt noch mal finden. Finden. Der Rest ist nichtig, unwichtig, unwirklich. Es zählt nur eins. Sie und ich. Ich und sie. Unser Flug durch die Nacht.

Raus aus diesem einengendem Großraummoloch, diesem Sumpf der verlorenen Seelen. Raus, vor die Tür. Blicke nach rechts. Blicke nach links. Sie ist nicht da. Resignation, Enttäuschung, Erinnerung an die Jacke, die ich abgab. Die ich mir holen sollte, bevor ich gehe. Augen geradeaus. Dort ist sie. Sitzend, halb versteckt auf einer Bank hinter einem Baum. Alleine. Zwei, vielleicht 3 Schritte entfernt.

„Hey!“ Blau. Ihre Augen sind blau.

Weiterlesen

Bloggeschichte 2012 – Kapitel I – Mike

3 Uhr morgens. Die Bässe aus der Box ein Meter über mir erzeugen, in Verbindung mit dem Alkohol in meinem Magen, einen ziemlich rauen Seegang für die gerade aufgegessenen Pommes. Der Zustand in dem ich mich befinde ist irgendwo zwischen “Verdammt, wo ist hier eigentlich nochmal die Bar?” und “Altah, Der Hamster wohnt jetzt hier” einzuordnen. Die Hände klatschen mehr schlecht als recht zum Beat ineinander und meine Bewegungen erinnerten auch nicht mehr wirklich an Tanzen – eher an stolpern. Mühsam dränge ich mich durch die Masse an verschwitzten, alkoholisierten Jugendlichen vorbei um irgendwo auf der Tanzfläche einen halbwegs freien Platz zu finden.

Während ich also über die Tanzfläche steppe, merkt der untere Teil meines Körpers auf einmal das der obere nicht mehr hinterher will. Ich verharre. 5 Sekunden. 10 Sekunden. Mein Gehirn muss die Reize verarbeiten. In der Position sehe ich vermutlich genauso intelligent aus wie die Hilfeklammer aus Office 2000. Nach einer gefühlten Ewigkeit schaffe ich es meinen Körper wieder vertikal auszurichten und beginne damit die letzten fünf Sekunden zu verarbeiten, als mein Gehirn den alles entscheidenden Reiz zum zweiten Mal auslöst. Links auf der Tanzfläche, im Lichtkegel des auf halb acht hängenden Scheinwerfers und von Nebelschwaden umwoben, tanzt sie. Die Frau meiner Träume.

Inständig hoffte ich das sie mich bemerkt hatte. Dann errinerte ich mich an meine Schlangenmenschenaktion und hoffte sie hatte in dem Moment die Augen doch geschlossen gehabt und keine Notiz von mir genommen. Ich starrte. Wie sie tanzte. Arme in der Luft, die Augen mittlerweile definitiv geschlossen und immer leicht dem Beat hinterherhinkend. Aber dennoch. Perfekt. So wie es sich für dieses Lied eben gehörte. Ich gebe mich der Versuchung hin und bewege mich langsam auf sie zu. Das Adrenalin pumpt mittlerweile heftiger als das Leck von BP und der gesamte Alkohol des Abends hat für den Moment die Blutbahn verlassen.

Weiterlesen